Kommentar:Geschickter Vergleich

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Die erkleckliche Summe von 750 Millionen Dollar muss Microsoft nach einem jetzt eingegangenen Vergleich an AOL Time Warner zahlen — und kann sich trotzdem freuen.

Walter Ludsteck

(SZ vom 31.05.2003) — Denn mit Mitteln, die der Softwarekonzern in reichlichem Maße besitzt, nämlich Geld, wird ein Kampf beendet, der für Microsoft anfangs gar nicht gut aussah.

Das Unternehmen hatte den Internet-Boom verschlafen und musste zusehen, wie das Start-Up-Unternehmen Netscape mit seiner "Browser"-Software Navigator Furore machte. Die Stellung des Microsoft-Betriebssystems Windows schien bedroht. In aller Eile entwickelte der Konzern seinen eigenen Browser Explorer und koppelte ihn an Windows. So gelang es Microsoft innerhalb weniger Jahre, Netscape zu deklassieren.

Der abgestürzte Börsenstar fand schließlich Unterschlupf bei America Online. AOL, die damals in mehreren Bereichen mit Microsoft im Clinch lag, erhob wegen des Falls eine Kartellrechtsklage und warf dem Softwarekonzern vor, Windows widerrechtlich mit dem Explorer verknüpft zu haben, um Netscape aus dem Markt zu drängen.

Die Monopole lassen grüßen

Jetzt haben die beiden Konzerne den Fehdehandschuh begraben. Für die inzwischen mit Time Warner verbundene AOL hat sich die Klage gelohnt. Der Vergleich kann als stillschweigende Anerkennung einer unfairen Behandlung Netscapes gewertet werden und bringt AOL Time Warner zudem Geld in die Kasse. An den Marktrealitäten ändert er allerdings nichts mehr. Längst dominiert der Explorer das Browsergeschehen. Deshalb kann auch Microsoft zufrieden sein.

Doch nicht nur darum. Die Vereinbarung sieht zugleich eine Kooperation bei digitalen Medien vor. Microsoft gewährt dabei AOL Time Warner im Rahmen eines Lizenzabkommens Zugang zur Windows Media-Software für die Verbreitung digitaler Musik- und Video-Inhalte sowie zu seiner Kopierschutz-Lösung (Digital Rights Management). Gemeinsam wollen die beiden Kolosse den Markt der digitalen Inhalte vorantreiben.

Das eröffnet Microsoft ungeahnte Perspektiven. Mit Unterstützung des führenden Medien- und Unterhaltungskonzerns bietet sich dem weltgrößten Softwarehersteller die Chance, seine Technologien als Standard durchzusetzen. Die Microsoft-Monopole Windows und Office lassen grüßen.

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