Kommentar:Gabriels Warnung

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Der SPD-Vorsitzende liegt richtig, wenn er mit einer Begrenzung der Managergehälter droht. Das Thema ist zu einem Reizthema der Republik geworden.

Von Karl-Heinz Büschemann

Man merkt, der Wahlkampf ist angelaufen. Die Bundesrepublik läuft auf die Bundestagswahl im Herbst zu, und die Parteien suchen bereits nach wählerwirksamen Themen. Kein Wunder, dass die SPD und ihr Vorsitzender Sigmar Gabriel ein leidenschaftlich diskutiertes Thema herausgreifen, um dem Bürgergroll entgegenzukommen und sich mal wieder als Anwälte der kleinen Leute darzustellen. Gabriel will die exzessiven Bonuszahlungen für Manager deckeln und greift erneut in die Debatte über die Bezahlung von Vorständen ein.

Das ist verständlich. Der SPD-Chef hat ein feines Gespür für Stimmungen im Lande, und es ist ihm nicht einmal zu verübeln, dass er den ausufernden Millionenzahlungen am liebsten einen gesetzlichen Riegel vorschieben würde. Dazu sind die Bezüge der Manager deutscher Konzerne in jüngerer Zeit zu stark aus dem Ruder gelaufen. Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung hat ausgerechnet, dass die Chefs der Dax-Konzerne fast 60-mal so viel verdienen wie normale Angestellte. Der Grund dafür ist das Versagen der Aufsichtsräte, die ihren Vorständen inzwischen Gehälter und Boni zuschanzen, die kaum noch erklärbar sind. Die Aufsichtsräte sollten Gabriels Idee als Warnung werten.

Der SPD-Chef will die Boni für Manager per Gesetz deckeln. Verständlich, aber gefährlich

Besonders abschreckend ist das Beispiel des VW-Konzerns. Dessen Chefs haben einen Abgasskandal zu verantworten, der gravierende Sparmaßnahmen und die Streichung von 30 000 Arbeitsplätzen notwendig macht. Gleichzeitig leistet sich VW die teuersten Manager und äußerst generöse Pensionsregeln. In Wolfsburg liegt das Verhältnis der Bezahlung von Chefs und Angestellten beim kaum noch erklärbaren Faktor von 140. VW hat, neben der Deutschen Bank, maßgeblich dazu beitragen, dass die Managerbezüge zu einem Reizthema der Republik geworden sind, das zu einem gesellschaftlichen Großkonflikt werden könnte.

Dumm ist nur, dass bei VW der Staat in Form des Landes Niedersachsen zu den Eigentümern gehört. Die Hannoveraner Landesregierung (meist von der SPD geführt) war stets dabei, wenn es darum ging, hohe Bezüge für Wolfsburger Manager durchzuwinken. Die SPD hatte genügend Gelegenheit, dem Treiben in Wolfsburg ein Ende zu machen. Es ist daher auch eine Portion von Heuchelei im Spiel, wenn Gabriel jetzt zum Thema macht, was er längst hätte bekämpfen können.

Dumm ist auch, dass es mehr Nach- als Vorteile hat, mit einem Gesetz die Bezüge von Managern zu deckeln. Die sind Sache der Unternehmen und ihrer Aktionäre. In das Eigentumsrecht einzugreifen, ist juristisch heikel, und dass ausgerechnet der Staat das richtige Maß kennt, an dem Managergehälter zu orientieren wären, ist nicht zu erwarten. Es ist ein Dilemma.

Deckelt der Gesetzgeber die Bezahlung, besteht die Gefahr, dass sich fähige Manager von deutschen Konzernen fernhalten und lieber im Ausland wirken. Dass aber heimische Konzerne im Wettbewerb um Führungskräfte benachteiligt werden, kann niemand wollen. Greift der Staat dagegen nicht ein, droht der schon lange schwelende Konflikt über die vermeintlich wachsende Ungerechtigkeit in Deutschland wegen rasant steigender Managergehälter weiter zu eskalieren. Auch das kann niemand wollen.

Helfen Appelle zum Maßhalten an Wirtschaft und Aufsichtsräte? Das wäre eine marktwirtschaftliche Lösung. Leider hat sie bisher nie funktioniert. Die Wirtschaft ist in vielen für die Gesellschaft wichtigen Fragen nicht in der Lage, sich selbst zu disziplinieren. Die fruchtlose Debatte über die freiwillige Veröffentlichung von Managergehältern hatte zur Folge, dass der Gesetzgeber eingriff und die Publizierung vorschrieb. Eine andere Pleite für die Eigenverantwortung der Wirtschaft war das Gesetz über eine Quote für Frauen in Führungspositionen. Die Wirtschaft hat zu oft versagt, wenn sie gefordert war, ihre eigenen Fehler zu korrigieren.

Die Stimmung im Lande ist gereizt, und Gabriel kann auf Verständnis hoffen, wenn er nach seiner jetzigen Ankündigung die Dinge nicht mehr einfach laufen ließe. Es hat schon zu viele fruchtlose Diskussionen darüber gegeben, ob die Manager zu gut bezahlt werden. Auch im Vertrag der großen Koalition von 2013 ist die Forderung, die Managergehälter zu deckeln, bereits enthalten. Bisher blieb die Abmachung aber ohne Folge.

Gabriel sollte das Thema weiter offensiv in die Gesellschaft tragen. Er muss aber bereit sein, den Sprüchen auch Taten folgen zu lassen und seinen Koalitionspartner an das Vorhaben von vor vier Jahren zu erinnern. Erst wenn die Wirtschaft sieht, dass er es ernst meint, wird sich in den Aufsichtsräten in Sachen Managerbezahlung etwas ändern. Leider.

© SZ vom 11.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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