Kommentar:Feiertage - wozu eigentlich?

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Wolfgang Clement ist ein wirklich harter Brocken. Nicht nur, dass der Wirtschafts- und Arbeitsminister seit Amtsantritt im vergangenen Herbst die Koalitionspolitiker mit immer neuen Reformvorschlägen vor sich her treibt, und den politischen Gegner gleich mit.

Marc Beise

(SZ vom 18.06.03) - Unbekümmert plündert er alte Oppositionspapiere zur Flexibilisierung, Deregulierung und zum Sozialumbau und füttert damit so schnell die Berliner Debattiermaschine, dass die Union bereits die Übersicht zu verlieren droht.

Jetzt hat sich Clement, rechtzeitig zum Fronleichnamstag, in einem Stern-Interview auch noch allen Ernstes das Heiligste des deutschen Arbeitnehmers vorgeknöpft, die Feiertage. "Urlaub, Feiertage, Arbeitszeit - wir sind am Anschlag", befindet Clement im Stern.

Wer die tariflich vorgesehenen Urlaubskontingente in vielen Branchen sowie den deutschen Feiertagskalender mit der Situation in anderen Ländern vergleicht, der kann tatsächlich ins Grübeln kommen.

Neun Feiertage geschützt

Es stimmt schon: Den deutschen Arbeitnehmern geht es bestens, freizeitmäßig betrachtet. Nicht nur, dass Samstag und Sonntag für die meisten Bundesbürger frei sind. Bundeseinheitlich sind weitere neun Feiertage geschützt, hinzu kommen die regionalen Festtage, die meisten davon im Süden.

Und wem das nicht reicht, der baut mit Liebe und Hingabe und allerlei Tricks Brücken. Da geht natürlich, keine Frage, Wirtschaftsleistung verloren, und nicht zu knapp.

Nach Berechnungen des Münchener Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung würde die Streichung eines bezahlten Feiertages der Volkswirtschaft rund 3,5 Milliarden Euro einbringen.

Ein besonderes Anliegen

Arbeitgebervertretern ist es deshalb immer wieder ein besonderes Anliegen den Deutschen ihre Freizeit vergällen zu wollen.

Frontal fordert etwa DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun die Abschaffung von Feiertagen (der selbst immerhin noch den Sonntag heiligt). Raffinierter der Vorschlag von Handwerkspräsident Dieter Philipp, nach amerikanischem Vorbild die gesetzlichen Feiertage (außer Weihnachten) auf einen Montag zu legen.

Dumm für Brückenbauer, aber Beschäftigte hätten automatisch ein verlängertes Wochenende und Betriebe im Gegenzug mehr Planungssicherheit.

Lieber mit den wichtigen Dingen beschäftigen

Vermutlich sollte man sich lieber mit den wirklich wichtigen Dingen beschäftigen, den echten Reformen von Arbeitsmarkt bis Sozialsystem.

Zumal sich die Situation im Jahr 2004 ohnehin entspannt - wenn ungewöhnlich viele Feiertage aufs Wochenende fallen. Das macht ein Plus von 4,7 Arbeitstagen zum Wohle der deutschen Volkswirtschaft.

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