Kommentar:Es könnte einfach sein

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(Foto: Bernd Schifferdecker)

Eigentlich wäre der Tarifstreit bei der Lufthansa leicht zu lösen. Das setzt jedoch voraus, dass der Vorstand das eigentliche Problem endlich erkennt.

Von Detlef Esslinger

Dieser Text hat 32 Sätze, und 32 Sätze genügen, um den Tarifstreit bei der Lufthansa zu lösen. Einen Haken hätte die Sache; aber um den zu beschreiben, reichen fünf Sätze am Schluss.

Das Grundproblem ist die Art der Lohnfindung. Sie ist typisch für eine Branche, deren Noch-Marktführer jahrzehntelang im Grunde ein Monopolist war. Für etwas anderes als einen Haustarif gibt es bei einem Monopolisten keine Veranlassung; das Lohnfindungs-Problem entsteht in dem Moment, da Konkurrenten den Markt betreten. Denn nun werden auch dort Haustarife vereinbart; sofern die neu gegründete oder plötzlich zum Konkurrenten gewordene Firma überhaupt deutschem Tarifrecht unterworfen ist.

In der Luftfahrt hat das zu der Situation geführt, wie sie heute ist: Diese Branche trägt ihren Wettbewerb ganz wesentlich über Kosten aus, und möglich ist das, weil ihr jenes Instrument fehlt, das in anderen Branchen den Kostenwettbewerb begrenzt: ein Branchentarifvertrag. In der Metall- und Chemieindustrie bewirken Branchentarife, dass der Wettbewerb über Qualität und Service ausgetragen wird - und nicht, indem die Firmen sich bei den Löhnen unterbieten.

Die Lösung des einen Verteilungskonflikts erschwert nur die Lösung des nächsten

Bei den Fluggesellschaften gibt es jedoch nur Haustarifverträge, ja, schlimmer: In jedem Haus gibt es mehrere Haustarifverträge. Bei der Lufthansa haben die Piloten eigene Tarifverträge, und die Flugbegleiter und das Bodenpersonal auch. "Das erschwert den Interessenausgleich gerade im Strukturwandel", schreibt Hagen Lesch vom Institut der deutschen Wirtschaft. "Zum Verteilungskonflikt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern kommt ein Verteilungskonflikt unter den Arbeitnehmern hinzu."

Genau das war soeben zu beobachten. Die Piloten präsentierten ihre Forderungen bei einer Demo, das Bodenpersonal rief zur Anti-Piloten-Demo. Die Piloten sagen, ohne sie wäre eine Fluglinie nichts. Die Check-In-Betreuer fürchten eine Lösung zu ihren Lasten und sagen, ohne sie wären auch die Piloten nichts.

Was an letzterem Argument stimmt: Jeder Betrieb ist eine Leistungsgemeinschaft aller. Abhängigkeiten sind überall wechselseitig. Die Verteilungskonflikte in der Lufthansa sind auch deshalb so heftig, weil sie innerhalb von Strukturen aus der Monopolzeit ausgetragen werden. Ein Branchentarifvertrag mag in der Luftfahrt schwieriger sein als anderswo. Der Konkurrent aus Irland oder Abu Dhabi ist damit ja nicht zu fassen. Aber es wäre schon viel gewonnen, gäbe es bei der Lufthansa einen Haustarifvertrag, der ein Lohngefüge für alle Beschäftigten schüfe. Dazu müssten nicht deren Gewerkschaften Cockpit, UFO und Verdi ihre jeweilige Eigenständigkeit aufgeben. Es würde schon reichen, bildeten sie eine Verhandlungsgemeinschaft. Dies würde verhindern, dass die Lösung des einen Konflikts gleich den nächsten schafft. In anderen Branchen gibt es diese Vorgehensweise. Das Management wiederum müsste begreifen, dass Strukturwandel nicht bloß eine Frage der Kostenrechnung, sondern auch der Mitbestimmung ist, egal, welche Rechte das Gesetz vorsieht und welche nicht.

Und damit zum Haken, den die Sache hat. Der LH-Vorstand gibt überhaupt nicht zu erkennen, dass er in seiner Methodik ein Problem sieht. Die drei Gewerkschaften pflegen viel lieber ihr Nebeneinander; sie glauben, das nützt ihnen mehr als Kooperation. Der Schaden ist offenbar nicht groß genug - jedenfalls erzwingt er noch keinen neuen Umgang miteinander. Der Haken an mehr Mitbestimmung und Verhandlungsgemeinschaft also ist: Beides ist vielleicht sachgerecht. Aber auch völlig unrealistisch.

© SZ vom 03.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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