Kommentar:Die so genannte Wahl

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Die Selbstverwaltung der Sozialkassen lässt sich wählen. Darum gibt es die Sozialwahl - wie zuletzt 1999. Doch es geht nur um eine Farce.

Von Nikolaus Piper

Der Begriff verbindet zwei äußerst positiv besetzte Worte: Sozial-Wahl. In den nächsten Wochen bekommen 47 Millionen Sozial- und Krankenversicherter ihre Unterlagen für diese Sozialwahl zugeschickt.

Die Mehrheit wird gar nicht wissen, was sie damit anfangen sollen, und den Umschlag in den Papierkorb werfen. An der letzten derartigen Wahl 1999 nahmen nur 38 Prozent der Berechtigten teil, und auch diesmal dürften es kaum mehr werden.

Vor sechs Jahren wurde für die Wahl mit einem Slogan geworben, den sich eine Werbeagentur ausgedacht hatte: "Sozialwahl 99. Richtig. Wichtig." Der Spruch hätte einen Preis verdient, wäre nicht schlicht falsch gewesen. Tatsächlich ist die Wahl eine Farce.

Formal geht es darum, die Selbstverwaltung der Sozialkassen zu wählen, die Vertreterversammlung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und die Verwaltungsräte einiger Ersatzkassen.

Nur ist es eben praktisch gleichgültig, wo man bei der Wahl sein Kreuzchen macht. Die kandidierenden Listen kennt zum größten Teil niemand, von den dahinter stehenden Menschen und deren Programm ganz zu schweigen.

Gewählt ohne Wahl

Entlarvend war die Debatte der vergangenen Wochen um angeblich überhöhte Gehälter von Kassen-Vorständen. Von den Gremien der Selbstverwaltung war zu dem Thema kein Wort zu vernehmen; dabei gehört es zu deren wichtigsten Aufgaben, Vorstände zu benennen.

Im übrigen ist die Sozialwahl oft eine Nicht-Wahl. "Bei den Landesversicherungsanstalten werden größtenteils Wahlen ohne Wahlhandlung durchgeführt, bei der die Vorgeschlagenen mit Ablauf des Wahltages als gewählt gelten", heißt es in einer offiziellen Internet-Seite.

Diese wunderbare Beschreibung der Abwesenheit einer Wahl hat schon fast SED-Qualität.

Das ganze Spektakel kostet 45 Millionen Euro. Früher einmal mag das alles noch hinnehmbar gewesen sein, aber heute, in den Zeiten von Praxisgebühr, Selbstbeteiligung und hartnäckig hohen Beiträgen, können es sich die Versicherten nicht mehr leisten, dass ihre Vertreter im Geiste des Korporatismus Parlament spielen.

Sie haben Anspruch auf kleine, effiziente und vor allem transparente Aufsichtsgremien. Zugegeben, ein einfacher Ausweg aus der Misere bietet sich nicht an, solange das deutsche Gesundheitswesen so verfasst ist wie es ist.

Aber warum gibt es nicht wenigstens eine Persönlichkeits- statt der besonders intransparenten Listenwahl? Und warum wird die Zahl der Gremien nicht drastisch reduziert, so wie der Bundesrechnungshof dies schon vor Jahren gefordert hat?

© SZ vom 23.03.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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