Kommentar: Die Siemens-Krise:Kleinholz im Konzern - was will Josef Ackermann?

Lesezeit: 1 min

Noch nie stand das jahrelange Vorzeigeunternehmen Siemens so entblößt in der Öffentlichkeit. Josef Ackermann, der Chef der Deutschen Bank, hat entscheidenden Anteil daran.

Hans von der Hagen

Es wäre besser gewesen, Josef ("Joe") Ackermann hätte auf einen seiner Vorgänger bei der Deutschen Bank gehört: Alfred Herrhausen hatte einst gemahnt, dass die Vertreter der Geldwirtschaft mit ihrer zweifellos vorhandenen Macht verantwortungsvoll umgehen sollten.

Dieses Gespür für Verantwortung hat Ackermann als stellvertretender Siemens-Aufsichtsratsvorsitzender vermissen lassen. Ratlos sahen Außenstehende in den vergangenen Tagen zu, wie das Treiben Ackermanns dem Unternehmen Siemens nun katastrophale Schlagzeilen beschert: "Siemens ohne Führung", "Führungschaos", "Krise auf neuem Höhepunkt". Kleinfeld weg, Kleinholz bei Siemens - was folgt noch?

Es ist viel über die Gründe Ackermanns gerätselt worden, brutalstmöglich den Siemens-Chef zu demontieren. Belasten die internen Untersuchungen den alten Vorstand in viel schlimmeren Ausmaß? Trifft es auch Kleinfeld? Ist es das große Zittern vor der US-Börsenaufsicht, die ihre Gangart gegenüber Siemens bereits verschärft hat? Wollte Ackermann mit womöglich gezielt gestreuten Indiskretionen in der Presse eine Zusage seines Wunschkandidaten Wolfgang Reitzle erzwingen? Oder glaubt er, mit einem neuen Vorstandsvorsitzenden könne die Deutsche Bank ihr mit Siemens verbundenes Geschäftsvolumen steigern?

Ackermann mag gute Gründe für sein Tun gehabt haben. Doch dass Siemens nun derart entblößt dasteht, ist auch durch gute Gründe nicht mehr zu rechtfertigen. Wenn sich der Deutsche-Bank-Chef schon für die harte Tour entscheidet, dann hätte der Aufsichtsrat am Dienstag zwingend einen Nachfolgekandidaten präsentieren müssen. Das ist nicht passiert.

Nun ist alles noch viel schlimmer als vorher: Wie einst bei der Deutschen Telekom nach dem Abgang von Ron Sommer wird jetzt die ganze Republik über die Führungspersonalien bei Siemens diskutieren. Doch anders als die Telekom wird Siemens aus Gründen der Glaubwürdigkeit noch nicht einmal einen Kandidaten aus den eigenen Reihen präsentieren können - sondern ist auf eine unbelastete Führungskraft von außen angewiesen.

Die muss in einem ebenso komplexen wie verfilzten Konzern Tritt fassen, sie muss die Korruptionsaffäre aufarbeiten - und die jetzt von Kleinfeld nochmals gestrafften Renditeziele erreichen.

Das Wissen, dass der Aufsichtsrat zur Not auch zu unfairen Mitteln greift und womöglich Intim-Informationen über Band an die Öffentlichkeit spielt, macht die Arbeit nicht leichter.

Der Neuanfang bei Siemens, so scheint es, hat noch nicht begonnen. Und es wird weiter über die Rolle der Deutschen Bank geredet werden.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: