Kommentar:Die gute alte Zeit

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(Foto: a)

Billige Tickets und hohe Gehälter - das passt nicht zusammen. Flugbegleiter und Piloten streiken zwar, aber sie dürfen nicht übertreiben.

Von Caspar Busse

Flugtickets sind ziemlich billig. Richtig freuen können sich Flugpassagiere auf ihre Reise aber schon lange nicht mehr. Mal streiken die Piloten, mal die Fluglotsen, mal streikt das Kabinenpersonal. Mal sind beinahe alle Mitarbeiter plötzlich erkrankt, wie vor wenigen Wochen bei der Fluglinie Tuifly. Mal werden Verbindungen wegen eines Generalstreiks gestrichen, wie an diesem Freitag in Italien. Und manchmal fallen Flüge auch einfach so aus. Jetzt drohen die Flugbegleiter bei der Lufthansa-Tochterfirma Eurowings mit Arbeitsniederlegungen vom kommenden Montag an. Die genervten Passagiere sind immer die Leidtragenden.

Was also läuft da schief? Vor nicht allzu langer Zeit waren Flugreisen durchaus ein Erlebnis. Die Maschinen hoben nicht nur zuverlässig ab, die Passagiere hatten auch genügend Platz und wurden von der Crew umsorgt. Heute ist das Flugzeug ein Massen-Fortbewegungsmittel. Ohne in das notorische "Früher-war-alles-besser" zu verfallen, muss man feststellen: Die guten Zeiten sind lange vorbei. Die bittere Erkenntnis ist, dass dies auch für die Mitarbeiter gilt. Pilot oder Flugbegleiter sind nicht mehr die Traumjobs, die sie einmal waren, sondern ein Beruf wie (fast) jeder andere. Lufthansa musste gerade bundesweit mehrere Casting-Veranstaltungen für angehende Flugbegleiter durchführen, weil der Nachwuchs fehlt. Der Lack ist ab. Hohe Gehälter und andere Privilegien gehen mit Billigtickets einfach nicht zusammen.

Dabei ist durchaus legitim, wenn sich die Mitarbeiter gegen eine Verschlechterungen ihrer Arbeitsbedingungen wehren - natürlich auch mit Streiks. Aber gerade Piloten oder Flugbegleiter haben eine große Macht. Denn nur wenige können mit Arbeitsniederlegungen schon so große Effekte erzielen (wie auch die Lokführer bei der Bahn). Beim jetzt drohenden Streik bei Eurowings wird etwa um einen neuen Vergütungsvertrag für gerade mal 400 deutsche Flugbegleiter gestritten. Ohnehin herrscht ein unübersichtliches Wirrwarr von Tarifregelungen, selbst innerhalb der einzelnen Unternehmen. Auch der Streit mit den Lufthansa-Piloten schwelt noch. Beide Seiten - Arbeitnehmer wie Management - haben deshalb eine hohe Verantwortung, solche Tarifkonflikte nicht eskalieren zu lassen, sondern am Verhandlungstisch zu lösen.

Jeder Streik hat zur Folge, dass Kunden zur Konkurrenz gehen

Denn das Risiko ist hoch, dass es zu langfristigen Schäden kommt. Jede Streikaktion, ob der tatsächliche Ausstand oder lediglich die Drohung, treibt die verunsicherten Passagiere zur (manchmal vermeintlich) günstigeren Konkurrenz wie Ryanair, Easyjet, Norwegian und anderen. Man kann nur hoffen, dass die Kunden zurückkehren. Denn die Fluggesellschaften sind ohnehin unter Druck. Auf der einen Seite werden sie von Billig-Airlines bedrängt, die nicht nur in Europa fliegen, sondern auch schon Interkontinentalflüge anbieten. Auf der anderen Seite kämpfen die arabischen Anbieter teilweise mit staatlicher Unterstützung aggressiv um Marktanteile.

Air Berlin ist bereits in einer tiefen Krise. Aus ihr wird das Unternehmen, wenn überhaupt, nur noch mit radikalen Maßnahmen wie der geplanten Halbierung seiner Flotte herauskommen. Auch Lufthansa hat trotz der jüngsten Anhebung der Gewinnprognose zu kämpfen. Konzernchef Carsten Spohr baut neben der traditionellen Lufthansa die Billigflugtochter Eurowings auf, um bestehen zu können. Diese kann aber nur erfolgreich sein, wenn die Kosten niedriger sind und die Mitarbeiter bei gleicher Leistung weniger verdienen und auf Privilegien verzichten. Es ist ein Teufelskreis, der bald beendet werden muss.

© SZ vom 22.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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