Kommentar:Die Bahn hat verstanden

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Nun haben sich die Fahrgäste der Bahn also doch durchgesetzt. Das reformierte Preissystem, das die Stammklientel verprellt hat statt zusätzliche Kunden anzulocken, wird entscheidend korrigiert.

Klaus Ott

(SZ vom 02.07.03) - Wenn es sich der manchmal sprunghafte Vorstandschef Hartmut Mehdorn im letzten Augenblick nicht anders überlegt, können die Reisenden künftig mit der alten Bahncard und 50 Prozent Rabatt aufs Neue zu günstigen Tarifen durch Deutschland reisen, ohne sich Tage oder gar eine Woche im Voraus auf bestimmte Zugverbindungen festlegen zu müssen. Die Kunden dürfen also bald wieder fahren, wie sie wollen.

Das Vorhaben des Bahnvorstandes, die Fahrgäste in ein starres, dem Flugverkehr abgeschautes System zu zwingen, ist gescheitert.

Aus dem IC verwiesen

Nur mit fixen Frühbuchungen waren noch hohe Rabatte auf den Grundpreis möglich, und wer dann doch früher oder später starten oder zurückfahren wollte, als ursprünglich geplant, der musste hohe Strafgebühren zahlen oder wurde gar aus dem ICE oder dem IC verwiesen.

Das ließen sich die Kunden nicht gefallen, die Fernzüge leerten sich mehr und mehr, die Bilanz ist ein Desaster. Bis zum Juni fehlten bereits 262 Millionen Euro in der Fernverkehrs-Kasse, die Erlöse blieben 20 Prozent hinter Plan.

Der Hauptkonkurrent ist eben das Auto, und das funktioniert wie früher die Bahn: Einfach einsteigen und losfahren, ohne lange zu rechnen.

Tarifchaos

Im Mai hatte der ruppige Mehdorn zwei Fernverkehrs-Manager als Sündenböcke für das von ihm selbst mitverantwortete Tarifchaos präsentiert und die Vorstandskollegen gefeuert.

Die Rückkehr zur alten Bahncard, mit der man flexibel und billig reisen konnte, und eine Entschuldigung bei den Kunden lehnte der DB-Chef damals noch strikt ab.

Mehdorn wollte an der neuen, schwer vermittelbaren Bahncard mit 25 Prozent Nachlass auf den Grundpreis und Rabatt auf die Frühbucher-Rabatte festhalten. Dieses Kärtchen wird es weiterhin geben, womöglich ist es ein Auslaufmodell.

Verspätetes Eingeständnis

Der geplante Rückgriff auf die frühere Bahncard wirkt wie ein verspätetes Eingeständnis: Liebe Fahrgäste, wir haben verstanden, was ihr wollt.

Statt als Chef einer der größten Dienstleistungs-Konzerne im Lande sensibel auf die Kundenwünsche zu reagieren, hat der konfliktfreudige Mehdorn in diesem Fall Selbstbewusstsein mit Arroganz verwechselt.

Nun muss er heute seinem Aufsichtsrat und der Öffentlichkeit erklären, wie er wieder mehr Verkehr auf die Schiene bringen will, und auch die Details bei der Reform der Preisreform müssen überzeugend ausfallen.

Sonst wird es nichts mit dem Neubeginn, den die Bahn nicht zum ersten Mal dringend nötig ist.

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