Kommentar:Das Rennen hat begonnen

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Die Europäische Union hinkt beim Mobilfunk der vierten Generation beträchtlich hinterher. Und nun kommt schon die fünfte - in Südkorea.

Von Helmut Martin-Jung

Kameras, die herkömmliche Knipsen alt aussehen lassen; Prozessoren, die so schnell rechnen wie vor Jahren noch schwere Laptops; superscharfe, helle Bildschirme - Smartphones haben eine erstaunliche Entwicklung hingelegt. Auch wenn natürlich gilt: Der wirklich nutzbringende Fortschritt hat sich mittlerweile, zehn Jahre nach der Initialzündung durch Apples iPhone, merklich verlangsamt.

Auf dem Mobile World Congress in Barcelona, der an diesem Montag beginnt, werden die neuesten Alleskönner-Handys dennoch wieder viel Aufmerksamkeit erhalten. Was kein Wunder ist: Schließlich geht nahezu jeder täglich damit um, viele haben sich in eine regelrechte Abhängigkeit von ihrem Smartphone hinein gewischt und geklickt.

Die fünfte Geräte-Generation kommt nächstes Jahr. Nicht in Europa - in Südkorea

Smartphones mögen die persönlichste Form sein, mit der die Menschen in den entwickelten Ländern heute mit Technik in Berührung kommen. Doch längst hat sich eine Entwicklung vollzogen, die einerseits weniger ins Auge fällt, die andererseits aber eine Bedeutung erhalten wird, die weit über so etwas wie das Smartphone hinausreicht. Es geht um die tief greifende Veränderung, die mit dem Begriff Internet der Dinge womöglich am besten, aber keineswegs hinreichend beschrieben ist.

Womit genau also haben wir es da zu tun? Mehr und mehr Alltagsgegenstände werden mit Sensoren versehen, die Daten erfassen und weitergeben können. Das mag im Einzelfall unspektakulär, ja bei einem Gerät wie einem Toaster sehr wahrscheinlich sogar sinnlos sein. Doch wenn etwa die Städte mehr wissen über den Verkehr in ihren Straßen, wenn Autos untereinander vernetzt sind, sich gegenseitig vor Gefahren warnen, wenn auch der öffentliche Nahverkehr Teil eines integrierten Mobilitätskonzeptes wird, dann entsteht ein Mehrwert, und solche Beispiele gibt es viele.

Es ist ein Mehrwert, den es zu nutzen gilt, und Deutschland, eingebettet in Europa, hat dafür die besten Voraussetzungen. Lassen sich Deutschland und Europa aber hier erneut von den USA und von Asien abhängen, werden die Folgen erheblich einschneidender sein als derzeit schon beim Mobilfunk der vierten Generation, bei der Europa beträchtlich hinterherhinkt. Die EU fördert die Entwicklung dieser Technik bereits mit hohen Summen, die Industrie investiert ebenfalls Milliarden. Gemessen an der Aufgabe aber müssten die Anstrengungen eigentlich viel höher sein.

Viel von der Technologie - man denke zum Beispiel an Sensoren von Bosch oder Infineon - wird hier entwickelt. Mit den Sensoren allein ist es aber nicht getan. Es braucht auch eine moderne Netzwerktechnik, die nicht bloß den stark steigenden Datenverkehr der menschlichen Nutzer bewältigen kann - immer breitere Autobahnen also.

Es braucht auch eine Technik, die mit den Milliarden von kleinen und kleinsten Sensoren umgehen kann. Diese Fähigkeiten bringt der Mobilfunk der fünften Generation, kurz 5 G genannt, mit. Noch wird zwar an der endgültigen Fassung des Standards gearbeitet. Aber man lasse sich nicht täuschen: Das Rennen hat bereits begonnen.

Das Bild eines Rennens passt sogar besonders gut, denn im südkoreanischen Pyeongchang soll schon bei den Olympischen Winterspielen im nächsten Jahr (!) ein 5 G-Netz stehen; 2020 will Japan bei den Sommerspielen in Tokio ebenfalls mit einem solchen hochmodernen Funknetz punkten. 2020 wird allgemein als das Datum genannt, in dem der offizielle Standard verabschiedet sein soll. Es ist nicht bloß wichtig, dass Europa hierbei mitredet, was ja auch geschieht. Europa muss auch selbst eigene Projekte vorantreiben.

Um es noch einmal deutlich zu machen: Es geht hier nicht darum, Youtube-Filme in höherer Auflösung und ohne Ruckeln aufs Handy zu bringen. Es geht darum, eine Basistechnologie zu schaffen, ohne welche die weitreichende Vernetzung nicht vernünftig bewerkstelligt werden kann. Nur mit dieser Vernetzung aber wird es möglich sein, in einer Hochlohn-Region wie Europa trotzdem konkurrenzfähig zu bleiben. Und nur wer die Flut an Daten intelligent nutzt, die dabei entsteht, wird neue Wege gehen können, um sich weiterzuentwickeln, um zum Beispiel die Städte vom Joch des Autos zu erlösen.

Dass in Europa kaum noch Handys konzipiert, geschweige denn gebaut werden - geschenkt. Dass man sich bei der 4 G-Technik hat abhängen lassen - nicht zu ändern. Nun aber gilt es. Nun braucht es eine entschlossene Förderungspolitik. Es geht um nichts weniger als die Zukunft.

© SZ vom 27.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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