Kommentar:Das große Monopoly

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Im Wochenrhythmus werden Milliardenübernahmen bekannt gegeben. Aber Mehrwert schaffen sie nur selten: Wenn Geld im Überfluss da ist, sinkt das Gefühl für Risiko.

Von Caspar Busse

Zwei aufeinanderliegende Kamele auf dem Titel, dazu die Schlagzeile: "Das Problem mit Fusionen." Die Ausgabe des Economist ist inzwischen gut 20 Jahre alt und hatte für viel Aufsehen gesorgt, wurde unter anderem in Saudi-Arabien verboten. Aber das Thema ist noch immer aktuell, so aktuell, dass die Macher des britischen Wirtschaftsmagazins Ende vergangenen Jahres den Artikel einfach noch mal in ihrer Online-Ausgabe veröffentlichten. "Dem Drang nach großen Firmenhochzeiten ist nur schwer zu widerstehen, aber Fusionen erweisen sich nur selten als glücklich", ist da zu lesen. Wie wahr.

In dieser Woche gab der britische Rohstoffkonzern Shell bekannt, dass er den Gasförderer BG Group übernehmen und dafür den unglaublichen Preis von 64 Milliarden Euro zahlen will. Es könnte der Beginn einer Übernahmewelle in der Rohstoffbranche sein. In der Pharmabranche ist es bereits so weit: Merck aus Darmstadt kauft einen Laborausrüster aus den USA für viele Milliarden, die Pillenfirma Mylan einen irischen Rivalen für 26 Milliarden Euro - nur zwei Fälle im großen Übernahme-Monopoly unter den Medikamentenherstellern. Der amerikanische Logistikanbieter Fedex verkündete am Dienstag den Kauf des niederländischen Rivalen TNT und holt damit zum Schlag gegen die Deutsche Post DHL aus. Und für kleine Unternehmen im Silicon Valley werden schon länger abenteuerlich hohe Prämien bezahlt. Nichts scheint derzeit unmöglich zu sein.

Milliardenübernahmen, die im Wochenrhythmus bekanntgegeben werden, das erinnert an die anscheinend goldenen Zeiten vor gut fünfzehn Jahren. Damals übernahm die Internetfirma AOL den Medienkonzern Time Warner, die Autobauer Daimler und Chrysler schlossen eine Hochzeit im Himmel, der Versicherer Allianz verleibte sich die Dresdner Bank ein - die Euphorie war groß, geblieben davon ist kaum etwas. Denn viele Zusammenschlüsse erwiesen sich als teure Fehlschläge. Es dauerte Jahre und kostete viel Mühe, bis die anfangs so hoch gerühmten "Mega-Merger" (an denen vor allem Investmentbanken und Berater verdienen) rückabgewickelt wurden und sich die Protagonisten erholt hatten.

Wenn Geld im Überfluss da ist, sinkt das Gefühl für Risiko

Steht die Weltwirtschaft jetzt vor einer neuen, ebenso gefährlichen Übernahmewelle? Entsteht möglicherweise eine neue Blase? Einiges deutet darauf hin, die Bedingungen sind günstig wie lange nicht mehr. Die Europäische Zentralbank (EZB) flutet die Märkte mit Geld, die Zinsen sind niedrig. Noch nie war so viel Geld so billig zu bekommen. Kapital für die riskanten Abenteuer ist also mehr als genug vorhanden. Die Konjunktur läuft gut, die Börse auch, der Euro ist schwach, der Dollar stark, was gerade die amerikanischen Unternehmen ermuntert, weltweit nach Übernahmen Ausschau zu halten. Dazu kommt: Die Versuchung für Firmenchefs ist groß, von eigenen strategischen Schwächen durch spektakuläre Geschäfte abzulenken.

Natürlich gibt es Übernahmen, die durchaus sinnvoll sind und Mehrwert schaffen. Es gibt Unternehmen, die sich gut ergänzen, die den Zusammenschluss hinbekommen und anschließend gemeinsam erfolgreicher sind. Studien zufolge gelingt das aber keinesfalls in der Mehrheit der Fälle. Das Problem: In einer Welt mit Kapital im Überfluss sinkt das Risikobewusstsein. Das kann schlimme Folgen haben. Siemens beispielsweise gab im vergangenen Jahr den Kauf der amerikanischen Energiefirma Dresser-Rand bekannt - der Preis ist hoch, und die Probleme sind schon da.

Da bleibt nur die Hoffnung, dass die Unternehmensführer aus der Vergangenheit zumindest gelernt haben und nun mehr Vorsicht walten lassen.

© SZ vom 11.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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