Kommentar:Bindung statt Beliebigkeit

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Früher war der Weltspartag ein Ereignis. Da brachten die Kinder ihr Sparschwein zur Bank. Aber Kleinsparer sind nicht mehr gefragt, sondern potente Kunden. Das könnte sich auf Dauer für die Banken als Fehler erweisen.

Von Stephan Radomsky

Vor ein paar Tagen war Weltspartag. Das war mal eine große Sache, ein wichtiger Termin - für Kinder und Banken. Heute nicht mehr. Früher wurden an diesem Tag die Kleinen mit Geschenken in die Filialen gelockt, um sie rechtzeitig an das künftige Kreditinstitut ihres Vertrauens zu binden. Heute verlangen einige Banken sogar etwas dafür, wenn sie das Kleingeld aus der Spardose zählen sollen.

Der Kleinsparer ist nicht mehr wirklich beliebt bei den Banken. Im Gegenteil. Weil die Zinsen im Keller sind und dort wohl auch noch eine Weile bleiben, ist mit Spareinlagen nichts mehr verdient. Der Service kostet aber Geld. Kurzfristig ist es aus Sicht der Banken also sinnvoll, mehr und mehr dieser derzeit so unattraktiven Sparer auszusortieren. Durch fehlende Angebote, weniger Service, steigende Gebühren.

Auf die Dauer könnte sich das aber als Fehler herausstellen. Dann nämlich, wenn die Kosten zwar heruntergefahren sind, die erhofften Besserverdiener-Kunden aber ausbleiben, weil sie zuvor über Jahre daran gewöhnt wurden, selbst nach dem günstigsten Angebot zu suchen. Egal bei welcher Bank. Dann ist es zu spät, noch eine stabile und langfristige Kundenbeziehung aufbauen zu wollen. Dann zählen nur noch der niedrigste Preis und die höchste Rendite.

Genau so eine Klientel wollen Institute wie die Hypo-Vereinsbank aber gerade nicht mehr ansprechen. Die Münchner haben ihr Filialnetz massiv zurückgestutzt, die restlichen Standorte wurden dafür aufgemöbelt. Außerdem wurden das Webangebot und die IT generalüberholt. Alles sehr schick, alles sehr digital, alles sehr konsequent. Ein kostenloses Girokonto mit kostenloser Kreditkarte gibt es nicht. Die Bank setzt voll auf das Geschäft mit Premium-Privatkunden: solche, die nicht erst mit der Spardose angekleckert kommen, sondern ein ordentliches Gehalt haben. Und die vor allem über Kapital verfügen, das sie nicht nur langweilig auf dem Tagesgeldkonto parken, sondern anlegen. Hier sieht die Bank künftig ihr Geschäft, hier ist für sie noch Geld zu verdienen.

Deutschland ist im internationalen Vergleich mit Filialen überversorgt

In dieselbe Richtung geht auch die Deutsche Bank, wenn sie nächstes Jahr die Postbank mit ihren rund 14 Millionen Privatkunden verkauft und zudem noch etwa 200 eigene Filialen dichtmacht. Und auch Commerzbank, Sparkassen und Genossenschaftsbanken werden tendenziell folgen, wenn auch langsamer. Schätzungen gehen jedenfalls davon aus, dass sich die Zahl der Bankfilialen in Deutschland in den kommenden 20 Jahren nahezu halbiert.

Das ist an sich auch richtig. Deutschland ist im internationalen Vergleich überversorgt mit Bankfilialen: Es gibt hierzulande fast dreimal so viele wie Tankstellen. Auf Dauer ist das nicht wirtschaftlich, zumal tatsächlich immer mehr Geschäfte direkt im Netz erledigt werden. Umso wichtiger wäre für die Banken aber, trotzdem gezielt ein breites Publikum aus allen Alters- und Einkommensschichten an sich zu binden.

Konzentrieren sich die Institute dagegen nur aufs obere Kundensegment und sparen zugleich am Filialnetz, geraten sie langfristig in ein Dilemma. Der Kunde merkt, wenn er mit seinem Ersparten nicht mehr wirklich willkommen ist, es sei denn, er bringt die ganz großen Scheine mit. Und er ist nachtragend. Zugleich kommt er künftig sowieso seltener mit seinem Kreditinstitut in Berührung, einfach weil es stark zunehmend aus dem Straßenbild verschwindet. Das Ergebnis ist Beliebigkeit statt Bindung. Und das ist ein Problem für Banken, die Premium-Anbieter sein wollen.

© SZ vom 07.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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