Kommentar:Aus dem Takt

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Die Deutsche Bahn sollte bis 2020 eine andere werden: effizienter, kundenorientierter und profitabel. Danach sieht es bislang nicht aus. Höchste Zeit also, die Strategie zu ändern.

Von Markus Balser

Nächster Halt? Weltmarktführer, Vorbild im Umweltschutz und einer der beliebtesten Arbeitgeber. Das alles wollte der größte deutsche Staatskonzern bis 2020 werden. So lauteten die Ziele von Bahn-Chef Rüdiger Grube noch in seiner ersten Amtszeit. Eine neue Bahn-Ära sollte mit ihm an der Spitze beginnen. Wenn Grube demnächst auf halber Strecke Bilanz zieht, wird das Fazit jedoch lauten: Störung im Betriebsablauf. Denn die Bahn scheint vom Kurs abgekommen zu sein.

So verfahren wie heute war die Lage schon viele Jahre nicht mehr. Dabei hätten tatsächlich bessere Zeiten für den größten deutschen Staatskonzern anbrechen müssen: Der Reisemarkt boomt, der Gütertransport auch. Noch nie waren so viele Menschen und Waren unterwegs wie heute - nur tun viele das inzwischen nicht mehr mit der Deutschen Bahn. Die Fernzüge leiden unter den Billigangeboten der Buskonkurrenz. Der Güterverkehr der Bahn ist ein Sanierungsfall. Und auch der Regionalverkehr, bislang ein stabiles Geschäft, bekommt zunehmend Konkurrenz von privaten Anbietern.

Es fehlt eine klare Vorgabe der Politik, welche Aufgabe der Konzern hat

Von den einst so großen Zielen ist nicht mehr viel geblieben. Der Umsatz, der sich bis 2020 auf 70 Milliarden Euro fast verdoppeln sollte, stagniert bei 40 Milliarden Euro. Unter dem Strich stand in der Bilanz des vergangenen Jahres ein Minus von 1,3 Milliarden Euro - der erste Verlust seit zwölf Jahren. Der Konzern schafft es inzwischen nicht mal mehr aus eigener Kraft aus der Misere. In den nächsten Jahren muss der Staat eine milliardenschwere Finanzspritze in den hoch verschuldeten Konzern stecken.

Doch nicht nur die Bilanz-Diagramme zeigen nach unten. Auch die Kunden sind unzufrieden. Während sich der Konzern mit Buslinien in Großbritannien, Serbien oder Prag verzettelte, wurden die Züge in Deutschland auf einem maroden Schienennetz immer unpünktlicher. Mit Millionenaufwand versucht die Bahn zwar inzwischen, die Ärgernisse zu reduzieren. Doch Verspätungen, defekte Toiletten, falsche Wagenreihungen sind noch immer Begleiter auf vielen Reisen. Kein Wunder: Manches Stellwerk stammt noch aus der Kaiserzeit.

Besorgt fragt man sich in der Regierung zudem, ob dem Konzern gerade mehr abhandenkommt als unzufriedene Fahrgäste, die auf Fernbusse umsteigen. Denn der Trend zur Individualisierung und Vernetzung des Verkehrs trifft auch die Bahn. Die neue Ökonomie des Teilens wird Mitfahrzentralen immer bequemer und erfolgreicher machen. Selbstfahrende Autos und Lkw können den Individualverkehr in den nächsten Jahren radikal verändern, weil sie dessen Vorteile mit denen des öffentlichen Nahverkehrs verbinden und Passagiere und Güter ohne viel Zutun und starre Fahrzeiten ans Ziel bringen. Und IT-Konzerne wie Google könnten das Geschäft der Logistikunternehmen angreifen und Reiseplattformen anbieten - die Bahn würde plötzlich zum Subunternehmer.

Das Geschäft der Bahn wird in den kommenden Jahren von vielen Seiten noch stärker in Bedrängnis geraten als bisher. Es dürfte damit immer schwieriger werden, die Forderung der Politik zu erfüllen: mehr Verkehr auf die Schiene zu holen. Ganz unmöglich aber wird das, wenn die Bahn so weitermacht wie bisher.

Allen Bekenntnissen zum Trotz hat der Konzern sein wichtigstes Geschäftsfeld in den vergangenen Jahren vernachlässigt. Grube hatte den Personenverkehr des Konzerns schon kurz nach seinem Amtsantritt 2009 eigentlich zum Brot-und-Butter-Geschäft erklärt und angekündigt, die Bahn müsse besonders hier schnell besser werden. Doch auch am Ende seiner zweiten Amtszeit macht die Flotte aus ICE, IC und Regionalzügen jede Menge Ärger.

Das ist zum einen die Folge einer falschen Strategie. Zu lange wurde national auf Kosten der internationalen Expansion gespart. Es ist aber auch die Folge einer richtungslosen Bahnpolitik. Denn seit dem abgeblasenen Börsengang von 2008 fehlt eine klare Vorgabe der Regierung, welche Aufgabe der Konzern eigentlich hat: Will die Politik eine Staatsbahn, die in jeden Winkel des Landes fährt? Und darf dies den Staat etwas kosten? Oder soll die Bahn mehr privates Unternehmen sein und dem Finanzminister Gewinne liefern und dafür Kosten senken?

Jetzt ist Grube am Zug. Er wird im Januar voraussichtlich den Vertrag für eine dritte Amtszeit bekommen und kann dann entscheiden, wohin die Bahn fährt. Wichtig ist, dass die Milliarden, die die Bundesregierung aus der Steuerkasse zahlt, diesmal wirklich in eine neue Ära fließen. Es könnte die letzte Chance der Bahn für einen Neuanfang sein.

© SZ vom 04.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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