Kommentar:Auf dem Zuckerberg

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Auch wer bloß eine gewöhnliche Firma gründet, nennt die heute gerne Start-up. Diese modische Bezeichnung aber macht die Neugründung nicht automatisch erfolgreich. Die meisten scheitern, auch wenn man davon meist nichts hört.

Von Helmut Martin-Jung

Es ist noch nicht einmal 20 Jahre her, dass die erste Internetblase platzte. Trotzdem nennen sich auch die Gründer von läppischen Zwei-Mann-Firmen, die in Omas Garage (und mit ihrem Geld) arbeiten, jetzt gerne Start-up. Auch dann, wenn das frisch gegründete Unternehmen Dinge macht, die sich entweder kaum für den Massenmarkt eignen oder sich nicht eben mal einfach so in rauen Mengen herstellen lassen.

Es gilt eben in Deutschland noch immer als ausgemacht, dass es viel moderner rüberkommt, etwas mit einem englischen Wort zu bezeichnen als mit dem schnöden deutschen Begriff. Auch auf die Gefahr hin, dass es dieses Wort im Englischen gar nicht gibt oder dass es etwas ganz anderes heißt.

Immerhin: Bei der Bezeichnung Start-up gibt es keine Verwirrung. Gemeint sind diesseits wie jenseits des Atlantiks neugegründete Firmen vor allem aus der Tech- und Internetbranche.

Ihre Besonderheit, die schon im Namen mitschwingt: Weil ihre Erzeugnisse virtueller Natur sind oder sich deren Produktion auf Kosten ausgebeuteter Arbeiter besonders schnell hochfahren lässt, können Start-ups exponentiell wachsen. Heute zehn Mitarbeiter, kommendes Jahr 100 und das Jahr drauf 1000. Die Lizenz zum Gelddrucken. Heute Studentenbude, morgen Jetset. Google-Gründer Larry Page nervt seine Mitarbeiter mit dem Mantra "10 x": Alles, was nicht in absehbaren Zeiträumen um den Faktor zehn wachsen kann, sollen die gar nicht erst anpacken.

Egal wie cool eine Idee klingt, die meisten jungen Firmen überleben nicht

Eine Firma gründen, einen Betrieb, ein Unternehmen - das klingt dagegen nach Betriebswirtschaft (langweilig), nach Formularen (auch langweilig und nervig dazu). Wer es gut macht, wer bis ins hohe Alter schafft und rackert - Urlaub, was ist das? -, wird vielleicht mal ein hidden champion, besitzt also eine Firma, die zwar niemand kennt, die aber in ihrer Winz-Nische Marktführer ist.

Ein Start-up jedoch, wie cool ist das denn! Eine gute Idee und du hast es geschafft, kannst zum Abholen deiner Venture-Capital-Millionen im grauen T-Shirt erscheinen und die Schlipsträger dort finden es sogar noch super. Sogar die Masseurin aus Googles Anfangsjahren ist heute Multimillionärin.

Schon klar, es gibt diese Studienabbrecher wirklich, die schon in ihren Zwanzigern Unternehmen führen, bei denen an der Börse Milliardenwerte an der Anzeigetafel stehen. Die ganze bittere Wahrheit ist aber, dass die große Masse der Start-ups scheitert und dass von diesen vielen Misserfolgen nur wenige überhaupt etwas erfahren. Oder dass man den Namen des einst so vielversprechenden jungen Unternehmens schneller wieder vergisst als man ihn einst gelernt hatte.

Die Trefferquote liegt immerhin höher als beim Lotto, aber es überstehen in der Tech-Branche nur etwa zehn bis allenfalls 20 Prozent aller Neugründungen überhaupt die ersten Jahre. Und natürlich häufen auch nicht alle dieser Überlebenden märchenhaften Reichtum an, sondern haben, wenn es gut läuft, ein ordentliches Auskommen. Ganz nach oben, auf den Zuckerberg sozusagen, schaffen es nur die wenigsten.

Was auch mit der Persönlichkeit der Gründer zu tun hat, aber längst nicht nur. Eine Erfindung, die vor ihrer Zeit auf den Markt kommt oder auch nur einen Moment zu spät, ein Produkt, dem vor dem großen Durchstarten das nötige Kapital fehlt oder auch ganz schlicht nur etwas Glück, kann sehr schnell wieder in der Versenkung verschwinden.

Da mag die Idee dafür noch so gut gewesen sein.

© SZ vom 21.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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