Kommentar:Angriff auf die Bosse

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Die öffentliche Debatte darüber, was deutsche Manager verdienen dürfen, ist gut, nützlich und keineswegs populistisch. Angesichts der derzeitigen Reformdebatte geht es nämlich um den ethisch-moralischen Grundkonsens dieser Gesellschaft.

Von Ulrich Schäfer

Josef Ackermann und Klaus Esser glauben, sie hätten den Mannesmann-Prozess gewonnen. In Wahrheit haben sie ihn verloren - und mit ihnen auch die führenden Manager des Landes.

Das Gerichtsverfahren um die Millionen, die im Zuge der Übernahme durch Vodafone an ehemalige und aktive Mannesmann-Manager ausgeschüttet wurden, hat dem Volk, aber auch der Politik über Monate hinweg einen tiefen Einblick in das Geschäfts- und Selbstbedienungssystem deutscher Unternehmensführer gewährt.

Schmerzhaft

Befeuert durch dieses Verfahren, aber auch durch einen schmerzhaften Reformprozess, der die Masse der Bürger zum Verzicht (auf Rente, Freizeit oder Lohn) zwingt, ist eine Debatte darüber entbrannt, was deutsche Manager verdienen dürfen - und was sie davon der Öffentlichkeit mitteilen müssen.

Diese Debatte ist, auch wenn viele Unternehmensführer dies anders sehen mögen, gut, nützlich und keineswegs populistisch. Es geht hierbei nicht um Petitessen, und es geht auch nicht darum, ob man es einem Manager zumuten kann, am Frühstückstisch mit seiner Frau darüber zu streiten, warum ein anderer Vorstand mehr verdient.

Welche Unterschiede verträgt das Land?

Wie in der Reformdebatte geht es um den ethisch-moralischen Grundkonsens dieser Gesellschaft. Es geht um rheinischen versus angloamerikanischen Kapitalismus - und darum, welche Unterschiede ein Land verträgt, dessen Marktwirtschaft sich seit Ludwig Erhard als sozial versteht.

Ist es zum Beispiel angemessen, dass ein Vorstand der Deutschen Bank das 240fache eines durchschnittlichen Arbeitnehmers verdient? Ist es angemessen, dass DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp im Vorjahr geschätzte 4,9 Millionen Euro bekam, während der Börsenwert des Unternehmens, den viele Bosse immer noch als wichtigsten Erfolgsmaßstab sehen, sich binnen vier Jahren halbiert hat? Und dürfen die Vorstände über ihre Vergütung schweigen (die Mehrheit tut dies), weil kein Gesetz sie zum Gegenteil zwingt?

Beides geht nicht

Die Bosse, schimpft Edmund Stoiber, wollten nach amerikanischer Tradition verdienen, aber nach deutscher Tradition ihre Gehälter geheim halten; beides zusammen geht nicht.

Womöglich haben manche Topmanager noch nicht realisiert, welche gravierenden Veränderungen dieses Land gerade erlebt. Auch Millionen von Langzeitarbeitslosen müssen sich fragen lassen, was für sie - so steht es im Gesetz zum Arbeitlosengeld II - "angemessen" ist.

Müssen sie, weil die Arbeitsagentur dies verlangt, in eine kleinere Wohnung umziehen? Müssen sie ihr Auto verkaufen, weil dessen Größe nicht angemessen ist? Müssen sie ihre Lebensversicherung kündigen? Die Arbeitslosen dürfen über ihre persönlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht schweigen - ansonsten drohen Leistungskürzungen.

Angesichts der Härten, die Hartz IV und andere Reformen der Bevölkerung aufbürden, ist es verständlich, dass nun auch die Politiker von den Managern Verzicht verlangen.

Horst Köhler, der neugewählte Bundespräsident, fordert "eine Kultur der Mäßigung", also weniger Gehaltsexzesse. Edmund Stoiber erwartet, dass die Konzerne die Vergütungen ihrer leitenden Angestellten bis zum Herbst publik machen - andernfalls will er sie per Gesetz dazu zwingen. Gleiches, wenn auch mit Frist bis Frühsommer 2005, hat die Bundesregierung angedroht.

Scheu vor der Öffentlichkeit

Dass es dazu kommen wird, haben sich Deutschlands Topmanager selber zuzuschreiben. Anders als in den Vereinigten Staaten, wo nicht nur Politikergehälter bis hin zur privaten Steuererklärung des Präsidenten, sondern auch Vorstandsgehälter vollkommen transparent sind, scheuen sie die Öffentlichkeit.

Anders als ihre Kollegen in den USA fürchten sie sich vor vermeintlichem Neid, vor kritischen Fragen in Talkshows und auf Hauptversammlungen. Der renommierte Aktienrechtler und Regierungsberater Theodor Baums behauptet sogar, die meisten Dax-Firmen hätten deshalb einen Schweigepakt geschlossen.

Manager verlangen Verzicht

Gleichzeitig jedoch verlangen viele prominente Manager öffentlich Verzicht: Sie fordern mehr Arbeit für gleichen oder weniger Lohn; sie mahnen eine klare, gradlinige Reformpolitik der Regierung an; sie nötigen, wie zuletzt die Pharmaindustrie bei den Medikamentenpreisen oder die Autobranche bei der Förderung von Diesel-Rußfiltern, die Politik immer wieder zum Entgegenkommen.

Wenn es jedoch um das eigene Gehalt geht, sind die Firmenlenker weder klar noch gradlinig, und sie schaden mit ihrer Widerborstigkeit letztlich auch dem Image des Standorts Deutschlands.

Wenn es unter den großen Aktiengesellschaften tatsächlich einen Schweigepakt gibt, sollten Regierung und Opposition nicht länger zögern, dann bedarf es keiner Gnadenfrist mehr. Der Kanzler und die Union sollten all jene Unternehmen, die nicht den Managern, sondern den Aktionären gehören, zu Transparenz zwingen - ohne jedoch die Gehälter der Manager per Gesetz zu deckeln.

Freie Entscheidung

Dann können Bürger, die ein Produkt kaufen, oder Aktionäre, die eine Aktie erwerben, frei entscheiden, ob sie auf diesem Wege das Gehalt der Bosse mitbezahlen wollen - genauso, wie die Wähler im Jahr 2006 frei entscheiden können, ob Gerhard Schröder sein Gehalt von 220 000 Euro weitere vier Jahre wert ist.

© SZ vom 04.08.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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