Kolumne: China Valley:Jetzt wird es billig

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An dieser Stelle schreiben jeden Mittwoch Christoph Giesen (Peking), Marc Beise (München), Karoline Meta Beisel (Brüssel), Helmut Martin-Jung (München) und Jürgen Schmieder (Los Angeles) im Wechsel. Illustration: Bernd Schifferdecker (Foto: N/A)

Der Fahrdienstvermittler Didi Chuxing hat vor zwei Jahren Uber nach einer Preisschlacht in China aus dem Markt gedrängt. Das nächste Milliarden-Duell steht kurz bevor.

Von Christoph Giesen

Eine Taxifahrt in Peking oder Shanghai kostet oft nicht mehr als ein U-Bahn-Ticket in München oder in London. Und selbst das ging bis vor knapp zwei Jahren noch deutlich preiswerter in China. In den großen Städten der Volksrepublik war der Preiskampf der Fahrdienste ausgebrochen. Wer per Smartphone bei Vermittlern wie Uber oder dem chinesischen Pendant Didi Chuxing buchte, zahlte häufig nichts. Ständig bekam man Freifahrten offeriert. Kaum mehr als die Kosten für das Benzin dürften gedeckt gewesen sein. Geld aber spielte lange Zeit keine Rolle: "Wenn du Verkehrsdienstleistungen so zuverlässig machen willst wie Leitungswasser, kann man ein Fünftel der Weltbevölkerung nicht ignorieren", gab Uber-Gründer Travis Kalanick zu Protokoll. Um die Vorherrschaft in China, darum ging es.

Nach anderthalb Jahren war die Schlacht geschlagen, und Uber gab im August 2016 entnervt auf. Mehr als eine Milliarde Dollar hatte das Unternehmen aus Kalifornien in China verbrannt. Auf seiner Facebook-Seite teilte Kalanick damals mit, dass Uber sein China-Geschäft mit Didi zusammenlege. Das chinesische Unternehmen werde alle Daten, Dienste und Vermögenswerte von Uber in China kaufen, darunter auch das Recht, den Markennamen Uber zu verwenden. Im Gegenzug beteiligen sich Ubers chinesische Tochter und deren Investoren mit 20 Prozent an Didi.

Genau diese Anteile könnten bald etliche Milliarden wert sein. Wie das Wall Street Journal am Dienstag berichtete, will Didi an die Börse gehen. Seit ein paar Wochen spricht das Unternehmen mit Bankern über die Möglichkeit eines Börsengangs in der zweiten Jahreshälfte. Die Diskussionen seien in einer frühen Phase. Wo und wann steht offenbar noch nicht fest, in China eher nicht, wahrscheinlicher wären Hongkong oder New York. Klar ist nur, dass es um außerordentlich viel Geld geht: 70 bis 80 Milliarden Dollar, das ist die angepeilte Bewertung.

Frisches Kapital kann das Unternehmen gebrauchen. Seit einigen Monaten droht Didi neue Konkurrenz auf dem Heimatmarkt. Der Rivale heißt Meituan und ist der größten Essenslieferdienst Chinas. 2018 werden schätzungsweise fast 350 Millionen Chinesen ihr Essen online bestellen. Mehr als 55 Prozent des Marktes kontrolliert Meituan. Doch nicht nur das: Man kann sich auch einen Masseur nach Hause ordern, ein Termin beim Friseur buchen oder Kinokarten besorgen lassen. Ja selbst das Auto kann man via Meituan waschen lassen. Hat man diesen Service gebucht, kommt ein Putztrupp in die Tiefgarage oder wäscht den Wagen gleich in der Parkbucht. Als Beleg bekommt man Fotos aufs Smartphone geschickt.

Das Ziel von Meituan ist die Super-App. Man geht nicht mehr ins Internet und füttert eine Suchmaschine mit seinen Anfragen, sondern bekommt alle Dienstleistungen in nur einer einzigen Anwendung geboten. Dazu gehört auch Mobilität. Im vergangenen Jahr testete Meituan deshalb einen eigenen Fahrdienst, der bald landesweit an den Start gehen soll. Derzeit sucht das Unternehmen Fahrer. Die ersten 50 000 dürfen für drei Monate sämtliche Einnahmen behalten. Bei Didi müssen die Fahrer 20 Prozent abgeben.

Didi kündigte bereits Widerstand an: "Wenn ihr Krieg wollt, bekommt ihr Krieg", polterte einer der Gründer. Die Kassen dafür sollen offenbar nun befüllt werden. Zumal vor wenigen Wochen die Nachricht die Runde machte, dass auch Meituan sich Geld am Kapitalmarkt besorgen möchte: 60 Milliarden Firmenwert, in Hongkong gelistet. Das sind die Rahmendaten.

Es wäre die dritte Preisschlacht, in die Didi verwickelt wäre. Bevor Uber sein Glück in China versuchte und kläglich scheiterte, hatte Didi sich bereits ein teueres Duell geliefert. Die Wettbewerber der ersten Stunden hießen: Didi Dache (unterstützt vom Social-Media-Koloss Tencent) und Kuaidi Dache (ko-finanziert vom Versandhändler Alibaba). Im Februar 2015 fusionierten die beiden Dienste schließlich - auch auf Druck der beiden großen Geldgeber. Daraus erwuchs Didi Chuxing, ein Unternehmen mit 450 Millionen Nutzern, 30 Millionen Fahrten am Tag und dem unbändigen Willen, als erstes chinesisches Start-up sich auch weltweit einen Namen zu machen.

Im Gegensatz zu den großen chinesischen Internetkonzernen Alibaba, Tencent oder Baidu, die sich außerhalb der Volksrepublik sehr schwertun, hat sich Didi erfolgreich im Ausland eingekauft. Während Uber vor allem auf Marketing setzt und damit in Europa und den Vereinigten Staaten Fuß fassen konnte, ist Didi bei Wettbewerbern überall auf der Welt eingestiegen. In Indien genauso wie in Dubai oder in Brasilien. Just am Tag, als die Nachricht über einen möglichen Börsengang veröffentlicht wurde, verkündete Didi, künftig in Mexiko mitzumischen.

Die treibende Kraft hinter der Internationalisierung ist Liu Qing. Sie ist die wichtigste Managerin des Konzerns. Bekannt ist sie vor allem unter ihrem Spitznamen Jean. Sie ist die Tochter von Computer-Pioneer und Lenevo-Gründer Liu Chuanzhi, der 2005 das PC-Geschäft von IBM übernahm. Statt in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten, fing Jean Liu nach einem Informatikstudium in Harvard bei der Investmentbank Goldman Sachs an. 2014 trat sie schließlich in den Vorstand von Didi ein und leitete die Fusionsgespräche mit Kuaidi. 2016 verhandelte sie nach überstandener Brustkrebserkrankung den Deal mit Uber. Die Statthalterin von Uber in China hieß übrigens Liu Zhen und ist Jeans Cousine. Nun steht das nächste Duell an. Rücksicht auf Verwandte muss diesmal niemand nehmen.

© SZ vom 25.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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