Koalition:Wahlkampf um Millionen

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In der Debatte um hohe Managergehälter überrascht Finanzminister Wolfgang Schäuble mit einem Vorschlag: Statt neuer staatlicher Regeln brauche es vor allem "Bauchgefühle darüber, was sich gehört und was nicht, schlicht Anstand".

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Vorsicht bei den Boni-Versprechen! Diese Warnung gilt ausnahmsweise nicht den Bankmanagern, die sich in der Vergangenheit nicht zu schade waren, Scheingewinne über Vergütungen zu privatisieren und die späteren Verluste den Bürgern aufzubürden. Oder den Vorständen großer Konzerne, die sich das hundertfache Gehalt ihrer Mitarbeiter genehmigen. Sondern sie gilt dem Wähler.

Der Bundestagswahlkampf zieht herauf, die politische Konkurrenz positioniert sich. Die SPD hat zwar noch keinen Kanzlerkandidaten bekanntgegeben, dafür aber schon Top-Themen, mit denen dieser um die Wählergunst werben will. Dazu gehört das Versprechen, die zunehmende Ungleichheit im Lande zu bekämpfen - indem etwa "Maß und Mitte bei Managergehältern und Boni" wiederhergestellt wird. In einem Anfang Januar verabschiedeten Beschluss der Fraktionsspitze finden sich konkrete Forderungen, mit denen der mutmaßliche Kanzlerkandidat Sigmar Gabriel durch die Wahlarenen ziehen kann.

Augenscheinlich hat die SPD mit den neuen Forderungen zur Begrenzung der Boni und gerechteren Gehältern nicht nur den Nerv vieler Wähler getroffen, sondern auch den der CDU. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble meldete sich an diesem Mittwoch mit einem Gastbeitrag im Handelsblatt zu Wort, in dem er klar machte, dass die CDU der SPD das Thema Ungleichheit keinesfalls überlassen will.

Statt der von der SPD vorgeschlagenen neuen Regulierungen brauche es einen neuen Anstand und Haltung, schreibt Schäuble. "Es braucht ein Wertegerüst, Bauchgefühle darüber, was sich gehört und was nicht, schlicht Anstand". Statt das Steuerrecht zu ändern, wie es die Sozialdemokraten fordern, will Schäuble darauf setzen, dass die bisher gierigen Manager sich selbst verpflichten, künftig weniger gierig zu sein. Erst wenn eine freiwillige Selbstverpflichtung tatsächlich nichts bewirke, will Schäuble "die Vorgaben verbindlicher machen".

Vor fünf Jahren klang das alles noch ganz anders

Nun mag man trefflich darüber streiten, wie sinnvoll es ist, darauf zu setzen, dass Menschen freiwillig ihre Gier zähmen. Vor allem, weil es keine Branche gibt, wo das bisher funktioniert hat. Noch interessanter ist allerdings, dass Schäuble selbst einst dafür plädierte, Boni und flexible Gehaltsbestandteile zu regulieren. "Die besonders für Fehlanreize anfällige, sofort in Geld auszahlbare variable Vergütung muss dabei eng beschränkt werden, maximal auf die Höhe der Fixvergütung", forderte er 2012 in dem Konzept mit der Überschrift "Ein neuer Ordnungsrahmen für die Finanzmärkte - Über Nachhaltigkeit und Stabilität zu Wohlstand und Sicherheit", das er den Abgeordneten der Koalition zuleitete. Er setze sich auf EU-Ebene dafür ein, "die negativen Anreize der variablen Vergütung (insbesondere der Boni) für die Risikoübernahme des Managements von Finanzinstituten zu beseitigen".

Das war vor fünf Jahren. Jetzt aber will Schäuble nicht weiter regulieren. Gleichzeitig aber wirft er Gabriel vor, mal das eine vorzuschlagen und dann das andere. Dieser Vorwurf ist ein weiteres Zeichen dafür, dass der Wahlkampf begonnen hat. Die CDU verweist auf das Gabriel anhaftende Image der Unstetigkeit. Das erinnert an frühere Umfaller, und macht auch das SPD-Boni-Konzept unglaubwürdiger. Es ist also angebracht, genau hinzuhören im politischen Streit um Boni und deren Begrenzung.

© SZ vom 19.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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