Kleinmünzen:Wer den Pfennig nicht ehrt

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Zielscheibe der Kritik: Kupfermünzen (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Regierung in Irland dürfte bald die irischen Ein- und Zwei-Cent-Münzen abschaffen. Ein solcher Schritt täte auch hierzulande gut.

Um einen Stau zu verursachen, reicht oft bereits ein Satz. "Warten Sie, ich hab' da noch was klein", ist ein solcher. Tausendfach sagen ihn Supermarktkunden jeden Tag, tausendfach warten Menschen täglich, bis jemand an der Kasse seine Cents passgenau herausgesucht hat. Wer die lästigen Kleinmünzen nicht an Kassen loswird, hortet sie zumeist, denn nicht einmal Fahrkartenautomaten können immer etwas damit anfangen. Selbst geübte Backwarenfachverkäufer tun sich im dreizehnten Jahr nach der Einführung der neuen Münzen noch schwer, beim Abzählen einen und zwei Cent auseinanderzuhalten.

Diese 2,3 und drei Gramm schweren kupfernen Pfennig-Nachfolger, die mit Abstand häufigsten Euro-Münzen, sie sind die Geißel der Bargeldhaltung. Vor allem aber sind sie ökonomischer Unsinn.

So sieht das neuerdings auch die irische Regierung. In dieser Woche brachte Finanzminister Michael Noonan einen Entwurf ins Kabinett ein, in dem er anregt, in Zukunft keine Ein- und Zwei-Cent-Münzen mehr zu prägen. Damit reagiert er auf eine Empfehlung der irischen Notenbank vom vergangenen Jahr. Ohne die Kleinmünzen würden Rechnungsbeträge auf fünf Cent genau gerundet, solange sie in bar beglichen werden.

Die Prägung von Kleingeld ist fast immer ein Verlustgeschäft für die Euro-Länder

In der Region Wexford hat das offenbar schon gut funktioniert. Dort erprobte die Zentralbank die Rundungsregel neun Wochen lang im Herbst 2013. Die örtliche Handelskammer bezeichnete das Projekt als "großen Erfolg". Einer Studie der Notenbank zufolge haben Händler ihre Preise in der Folge nicht erhöht, um die Regel auszunutzen. Notenbank-Projektmanager Ronnie O'Toole sagte, der Versuch sei auch eine Reaktion auf die Befindlichkeiten der irischen Konsumenten: "Die Menschen sagen, sie könnten diese Münzen nicht mehr gebrauchen, um irgendetwas zu kaufen oder sie in einen Automaten zu stecken. Also nehmen sie sie aus ihrem Geldbeutel und lagern sie zu Hause."

Sechs EU-Staaten haben bislang Rundungsregeln eingeführt, darunter die Euro-Länder Niederlande, Finnland und Belgien, dazu Dänemark, Schweden und Ungarn.

Die Kleinmünzen sind in der Regel ein Verlustgeschäft für den Staat. In Irland kostet die Prägung einer Ein-Cent-Münze 1,65 Cent, die einer Zwei-Cent-Münze 2,07 Cent. Weil sie in Spardosen oder Marmeladengläsern verschwinden oder Münzen verloren gehen, müssen die Euro-Staaten ständig nachprägen, um den Bedarf zu decken. Die irische Notenbank schätzt, dass in Irland derzeit Kleinmünzen im Wert von mehr als 35 Millionen Euro im Umlauf sind, dreimal so viel wie im Durchschnitt der anderen Euro-Staaten. Ihre Herstellung kostet nicht überall das Gleiche. Die Bundesbank schreibt in ihrem Monatsbericht von April, die Kosten für die Münzherstellung lägen derzeit unter ihrem Nennwert - vermutlich auch eine Folge des stark gefallenen Kupferpreises.

Vorvergangenes Jahr dachte die EU-Kommission laut darüber nach, die Cent-Münzen abzuschaffen. Ihr Urteil veröffentlichte sie im Mai 2013 in einer Mitteilung an den Rat und das Parlament: "Die Herstellung von Ein- und Zwei-Euro-Cent-Münzen ist eindeutig ein erhebliches Verlustgeschäft für das Euro-Währungsgebiet", schrieben die Kommissare. Die Dimensionen werden nämlich erst richtig deutlich, wenn man den gesamten Zeitraum seit der Euro-Einführung betrachtet: Mehr als 46 Milliarden Ein- und Zwei-Cent-Münzen wurden seither ausgegeben. Weil der Weg der Münzen so oft in Sparschweinen oder Brunnen endet, sind heute etwa 75 Prozent mehr im Umlauf als damals. Einige Euro-Länder bezahlen je nach Kupferpreis sogar das Vierfache des Nennwerts, bis eine Münze im Umlauf ist. Allein bis zum Jahr 2013 hat das die Staaten 1,4 Milliarden Euro gekostet. Ziemlich viel Geld für das unnütze Geklimper im Portemonnaie und die Vorliebe des Handels, seine 1,99-Euro-Preise zu verlangen.

Anscheinend ist aber den wenigsten Deutschen bewusst, wie schwer die Geldtransporteure zu schleppen haben und wie nervig die Geldbeutelkramer oftmals sind. Hierzulande wird der Pfennig noch geehrt, wie eine Umfrage der Bundesbank im Jahr 2011 ergab, und wie das Bundesfinanzministerium in der Vergangenheit gern betonte. Deshalb besitzt jeder Einwohner im Durchschnitt ungefähr 175 Ein- und Zwei-Cent-Münzen und auch damit deutlich mehr als das Mittel des Euro-Raums.

Immerhin: "Falls Kleinmünzen für Transaktionen in erster Linie dazu dienen, exakt Wechselgeld herauszugeben, dann könnte ein Verzicht auf diese Münzen einen kleinen Beitrag dazu leisten, den Zahlungsverkehr effizienter zu machen", deutet die Bundesbank in ihrem April-Monatsbericht an. Auf Nachfrage verweist sie aber auch auf Erhebungen, wonach die Deutschen ihre Kleinmünzen behalten wollen. Vielleicht ist dieses Effizienz-Gerede deshalb die falsche Herangehensweise. Es geht um diese alte Liebe zum Kupfergeld, um die Glückspfennig-Tradition. Ende 2014 waren noch etwa 23,5 Milliarden D-Mark-Münzen im Umlauf. 13 Milliarden davon waren Ein- oder Zwei-Pfennig-Münzen.

© SZ vom 18.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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