Kleinkredite:Kapital für Anfänger

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Wenn Banken Darlehen ablehnen: Mikrofinanzierer vermitteln Kredite von bis zu 10.000 Euro an Existenzgründer.

Eva-Maria Simon

Bernd Herbst dreht an den Knöpfen des Sportgerätes. Je mehr er dreht, desto heftiger schwitzen seine Kunden. Ein Ehepaar mittleren Alters arbeitet in Herbsts Trainingsraum an einem sogenannten Body Transformer. An Armen, Beinen und am Rumpf der Trainierenden kleben Elektroden, die über Kabel mit dem Gerät verbunden sind. Feinenergetische Impulse sollen die Muskeln stimulieren und kräftigen. Rund 150 Kunden trainieren regelmäßig im Münchner Fitnesscenter von Herbst. Für eine halbe Stunde zahlen sie zwischen 30 und 60 Euro. Herbst hat sich im Oktober 2006 selbständig gemacht. Er mache schon Gewinn, versichert der Jungunternehmer: "Ohne den Mikrokredit über 10.000 Euro hätte ich das nie geschafft." Mit dem Darlehen hat Herbst in den ersten Monaten nach der Geschäftsgründung die Miete für die Räume im Münchner Stadtteil Schwabing bezahlt. Vorhänge und Wandbilder in den vier Räumen sind in kräftigem Orange gehalten, so wie das T-Shirt des Jungunternehmers.

Bernd Herbst (rechts) finanzierte sein Fitneßstudio über einen Mikrokredit. (Foto: Foto: Robert Haas)

Am Anfang sah es nicht gut aus. Herbst lief von Bank zu Bank, um ein Darlehen zu bekommen. Vergeblich. Seine Hausbank beschied ihm, dass sich für sie ein so kleines Kreditgeschäft nicht lohne. Zwei weitere Institute lehnten ab, weil sie die Absage der Hausbank misstrauisch machte. "Meine Qualifikation hat die Kundenberater nicht interessiert", erzählt Herbst. Der 35-Jährige hat eine Ausbildung als Masseur und medizinischer Bademeister absolviert und jahrelang als Therapeut und Leiter eines Fitnessstudios gearbeitet. Zudem bildete er sich in Bewegungstherapie, Rückenschule und Atemgymnastik weiter.

Durch das Raster der Banken gefallen

Private, öffentliche und genossenschaftliche Kreditinstitute haben oft kein Interesse an Mikrofinanzierungen, also der Vergabe von Krediten bis zu 10.000 Euro. Der Zinsertrag bei diesen Geschäften ist gering und die Bearbeitungskosten sind hoch. Vor allem aber hatte Herbst keine Sicherheiten zu bieten. Damit fiel er durch das Raster der in vielen Banken üblichen, standardisierten Kreditvergabe. Herbst bemühte sich auch um öffentliche Mittel. Die Förderanstalten der Länder, in seinem Fall die LfA Förderbank Bayern, vergeben zwar Kleinstdarlehen. Dies aber nur, wenn die Hausbank eine Empfehlung ausgesprochen hat.

In diese Finanzierungslücke springen Mikrofinanzierer wie die GUM Gesellschaft für Unternehmensberatung und Mikrofinanzierung mbH in München. Bei ihr landete Herbst. Die GUM ist einer von elf Mikrofinanzierern, die beim Deutschen Mikrofinanz Institut (DMI) akkreditiert sind. Für die von DMI-Mikrofinanzierern vermittelten Kredite haftet der Mikrofinanzfonds Deutschland. Neben diesem bundesweiten Fonds gibt es einige regionale Angebote wie den Magnet Fonds in Mainz mit einem Volumen von 140.000 Euro. Bislang wurden nach Angaben der Stadt Mainz rund 30 Existenzgründer gefördert. Die Kredite werden von der Stadtsparkasse Mainz vergeben und sind durch "stadtnahe Gesellschaften" wie die Mainzer Stadtwerke abgesichert. Einer der Gesellschafter und Partner der GUM ist die BfE München Consult GmbH, ein Beratungsunternehmen, das aber nicht nur bei der Suche nach Geldgebern hilft. Dort präsentierte Herbst im vergangenen Jahr seine Geschäftsidee und überzeugte die Berater. Sie leiteten Herbsts Unterlagen an die GUM. Auch der GUM gefiel das Konzept und sie empfahl der GLS Bank, den Kreditwunsch des Münchners zu erfüllen. So kam Herbst dann doch zu Geld.

Überschaubares Risiko

"Das Risiko für die Bank ist überschaubar", sagt Hermann Steindl, Geschäftsführer der GUM und der BfE: "Die Ausfallquoten sind derzeit relativ gering. Die meisten Kreditnehmer tilgen ihre Raten fristgerecht." Außerdem haftet der Mikrofinanzfonds Deutschland für Kreditausfälle, holt sich aber einen Teil des Geldes vom Finanzierer zurück. Der muss beim Fonds eine Sicherungssumme in Höhe von 20 Prozent des empfohlenen Kreditvolumens hinterlegen. Die für tatsächliche Ausfälle zu zahlende Summe wird mit der Provision des Finanzierers verrechnet. Sie beträgt zehn Prozent der jährlichen Tilgungssumme und wird ausgezahlt, wenn die Ausfallquote unter zehn Prozent liegt. "Das war bislang immer der Fall", sagt GLS-Bank-Experte Falk Zientz: "In der Regel bekommt der Mikrofinanzierer etwas ausgezahlt." Zientz zufolge lag die Kreditausfallquote 2007 unter sieben Prozent.

Auch die Mikrofinanzierer sichern sich ab. Vom Existenzgründer Herbst verlangte die GUM Bürgen für die Hälfte des Kreditvolumens, also für 5000 Euro. Jeder Bürge darf für maximal 3000 Euro bürgen. "Wir wollen sichergehen, dass das Umfeld des Kreditnehmers hinter ihm steht", sagt Steindl. Für Herbst bürgen ein Freund und eine Verwandte. Auch sonst fehlt es ihm nicht an familiärer Rückendeckung. Sein Schwiegervater Detlef Kozian arbeitet im Geschäft mit, ein weiterer Trainer hilft stundenweise aus. Seine Frau, eine Ernährungsberaterin, absolviert gerade eine Ausbildung zur Heilpraktikerin und wird im April in die Firma einsteigen. Während der dreijährigen Laufzeit des Darlehens muss Herbst jeden Monat seine Geschäftszahlen der GUM vorlegen. Sie greift im Krisenfall ein. Wie bei allen Mikrofinanzierern des DMI liegt der Zinssatz für den Kredit bei jährlich zehn Prozent. Die Zinseinnahmen teilen sich die Bank und der Mikrofinanzfonds.

Privater Markt erst ab Zins von 20 Prozent rentabel

Das Kleinstkredit-Modell hat auch Kritiker: "Wenn eine Bank einen Kredit ablehnt, kann das gerechtfertigt sein", sagt Ljuba Haunschild vom Institut für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn. Sie befürchtet, dass durch dieses Modell möglicherweise auch Kreditsuchende ein Darlehen erhalten, deren Firma keine Chance hat. Aber sie bemängelt auch die zögerliche Haltung vieler Kreditinstitute: "Eine Bank, die Kredite nur dann vergibt, wenn für sie kein Ausfallrisiko besteht, ist keine Bank." Die öffentliche Finanzierung raube den Banken jeden Anreiz, eigene Mikrokredit-Programme aufzulegen.

Für einen rein privaten Mikrofinanz-Sektor plädiert auch Jan Evers. "Ähnlich wie bei Konsumentenkrediten könnten die Banken spezialisierte Rating-Systeme entwickeln", meint der Bankbetriebswirt von der Hamburger Unternehmensberatung Evers & Jung. Er verweist auf den französischen Mikrofinanzierer Association pour le droit à l'initiative économique, kurz Adie. Seit dem Start 1989 hat Adie nach eigenen Angaben mehr als 44.000 Gründungen finanziert. Alexander Kritikos, Geschäftsführer der Gesellschaft für Arbeitsmarktentwicklung in Berlin, lehnt dagegen ein Rating per Computer ab. "Die individuelle Bewertung ist bei Mikrokrediten unverzichtbar." Ein privater Markt für Kleindarlehen sei nur rentabel, wenn die Kunden bereit seien, Zinsen von etwa 20 Prozent zu zahlen, wie es in den meisten Entwicklungsländern üblich sei. Knapp die Hälfte der Darlehensnehmer wären dazu nach den Erfahrungen von Kritikos bereit.

© SZ vom 31.01.2008/ang - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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