Klage gegen Apple:Can't touch this

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Die Flacker-Krankheit betrifft nur iPhone-6-Geräte. (Foto: Michaela Rehle/Reuters)

Tausende iPhone-Nutzer verklagen Apple auf Entschädigung: Sie haben, wie andere Kunden auch, offenbar ein Problem. Alles beginnt damit, dass der Touchscreen betroffener iPhone-6-Geräte plötzlich flackert.

Von Caspar von Au, München

Die Krankheit beginnt mit einem grauen Flackern am oberen Bildschirmrand. Später einsetzende Symptome: Der Touchscreen funktioniert nur noch eingeschränkt, bis hin zur vollständigen Unbrauchbarkeit des ganzen Bildschirms. Der Defekt betrifft offenbar Tausende iPhones der sechsten Generation. Vor allem die größere Variante, das iPhone 6 Plus, leidet besonders häufig an der "Touch Disease", wie die Reparaturexperten des amerikanischen Portals iFixit den Defekt getauft haben. Das graue Flackern betitelte das Portal als "gray bar of death", als grauen Todesbalken.

Das Problem tauchte gehäuft erstmals Ende August auf. Nun steigt in den USA der Druck auf Apple. Wie die Tech-Plattform Motherboard berichtet, haben sich nahezu 10 000 Apple-Kunden in einer Sammelklage zusammengeschlossen. Sie verklagen das Unternehmen auf Schadenersatz. Apple aber schweigt bislang.

Die Kanzlei McCune Wright, welche die Kläger in Kalifornien vertritt, verklagt Apple in 21 Punkten. Dabei geht es hauptsächlich um Käuferschutz, Verstöße gegen Garantie-Bestimmungen, Betrug und ungerechtfertigte Bereicherung. In der Anklageschrift fordern die Anwälte Apple auf, für alle Schäden aufzukommen, die mit Touch Disease zusammenhängen. Die beschädigten iPhones solle der Konzern reparieren oder zurückrufen. Außerdem solle das Unternehmen die Garantie auf die Geräte verlängern.

Im Bundesstaat Utah und in Kanada laufen weitere Sammelklagen, die aber möglicherweise zu einer großen Sammelklage zusammengelegt werden.

Schlimmer wird der Fall für betroffene Kunden offenbar durch Apples Umgang mit dem Problem: Das Unternehmen verweigere nicht nur jeden Kommentar, sondern auch die Reparatur der iPhones, hat Motherboard recherchiert. Stattdessen müssten die Apple-Kunden 329 Dollar bezahlen, um ein generalüberholtes Ersatzgerät zu erhalten. Manche dieser Geräte erkrankten aber in einigen Fällen nach wenigen Tagen oder Wochen auch an Touch Disease. Motherboard bezeichnet den Defekt als größten iPhone-Fabrikationsfehler aller Zeiten.

Die Ursache des Defekts könnte sich auf der Hauptplatine befinden und hängt möglicherweise mit dem sogenannten Bendgate-Skandal zusammen. Das legen zumindest Vermutungen von iFixit nahe. 2014 hatten einige Nutzer gemeldet, dass sich das iPhone 6 und 6 Plus in der Hosentasche verbiege. Auch wenn Apple nachgebessert hat, blieben die iPhones der sechsten Generation biegsam, heißt es in dem iFixit-Bericht. Obwohl die Verformung in den allermeisten Fällen so minimal sei, dass sie mit bloßem Auge nicht zu erkennen ist, könne langfristig das Innere des iPhones Schaden davontragen.

Im Gegensatz zu den Vorgänger-Modellen wird die Hauptplatine beim iPhone 6 und 6 Plus nämlich nicht mehr durch eine dünne Metallplatte geschützt. Dadurch wurden offensichtlich in vielen Fällen die beiden Chips beschädigt, die für die Bedienung des Touchscreens zuständig sind. Daher helfe es auch nichts, das Display auszutauschen, stattdessen müsse die Hauptplatine ausgetauscht werden, schreibt iFix und beruft sich dabei auf Erfahrungen mehrerer Betreiber von Smartphone-Werkstätten. Motherboard beruft sich in seiner Recherche auf Apple-Mitarbeiter, die sich in den Läden um Hardwareprobleme kümmern. Sie sollen demnach auch bestätigt haben, dass sich das Unternehmen sehr wohl des Defekts bewusst ist.

Das ist auch der Grund, warum jetzt so viele Nutzer gegen den Bildschirmfehler klagen. Sie wollen zum einen Schadenersatz, zum anderen könnte Apple bei erfolgreicher Klage gezwungen sein, den Konstruktionsfehler als solchen anzuerkennen. Dann würden betroffene iPhone-6-Nutzer weltweit profitieren und könnten zum Beispiel Geräte künftig kostenlos umtauschen, so die Hoffnung.

Zunächst aber muss der Fall vor dem US-Gericht zugelassen werden. Abzuwarten bleibt dann, ob die Kläger recht bekommen, und ob Apple anschließend ein weltweites Reparatur- oder Austauschprogramm für betroffene Geräte startet, die von der Bildschirm-Krankheit betroffen sind. Versucht der Konzern aber, das Problem auszusitzen - mittlerweile ist ja schon das iPhone 7 erhältlich - könnte der mögliche Fabrikationsfehler sich auch zu einem größeren PR-Problem für Apple entwickeln.

© SZ vom 12.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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