Karstadt-Chef: Rettungsappell:"Katastrophe für die Innenstädte"

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Karstadt-Chef Herzberg richtet einen dramatischen Appell an Berlin: Ohne Staatsbürgschaft sei die Pleite da und bedrohe die Zukunft von 100.000 Menschen.

Der Vorsitzende der Karstadt-Geschäftsführung sagte der Bild am Sonntag, dass auch eine Fusion mit dem Konkurrenten Kaufhof die Pleite nicht mehr abwenden könne, wenn der Karstadt-Mutterkonzern Arcandor nicht in den nächsten Wochen die beantragten Bürgschafts- und Kreditmittel in Höhe von 850 Millionen Euro erhalte. Allerdings lehnten bereits zahlreiche Politiker, darunter Unionsfraktionschef Volker Kauder, die am Mittwoch erstmals übermittelte Bitte ab.

Karstadt-Chef: Ohne Staatsbürgschaft ist die Insolvenz unabwendbar (Foto: Foto: ddp)

"Wenn diese Bürgschaft versagt werden sollte, dann geht der ganze Arcandor-Konzern in die Insolvenz mit unabsehbaren Folgen. Die Biografien von mehr als 50.000 Mitarbeitern würden gebrochen", sagte Herzberg dem Blatt. "Zusammen mit den Familien unserer Beschäftigten würden weit mehr als 100.000 Menschen in eine ungewisse Zukunft entlassen. Zu befürchten sind dann zahlreiche Folge-Insolvenzen bei unseren Lieferanten." Ein Verschwinden von Karstadt "wäre zudem eine Katastrophe für die deutschen Innenstädte", sagte er weiter.

Am kommenden Freitag finde in allen Karstadt-Filialen ein Aktionstag statt, mit dem man deutlich machen wolle: "Karstadt ist ein Teil von Deutschland", kündigte Herzberg an. Mehrere hunderttausend Kunden hätten bislang Unterschriften für das Überleben von Karstadt geleistet. Herzberg betonte, dass man "keinen Euro vom Staat geschenkt" haben wolle, und alles zurückzahlen werde.

Der Chef der Kaufhof-Mutter Metro, Eckhard Cordes, hatte die Schaffung einer Deutschen Warenhaus AG aus Kaufhof und Karstadt ins Spiel gebracht, in der allerdings nur Metro und die Gebäudevermieter das Sagen haben sollen. Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick hat sich nach anfänglichem Widerstand auf Gespräche darüber eingelassen. Arcandor fordert zur Sicherung seines Überlebens eine Staatsbürgschaft von 650 Millionen Euro und einen Kredit über 200 Millionen Euro, wogegen Konkurrent Metro Front macht.

"Der 12. Juni ist der Tag der Wahrheit", sagte Eick zudem der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Dann brauche Arcandor die Bürgschaft, weil ein Kredit auslaufe. Der Manager warf zugleich der Kaufhof-Mutter Metro indirekt vor, auf eine Insolvenz des Konkurrenten zu hoffen. Trotzdem könnte es im kommenden Jahr zu einer Fusion kommen.

Eick sieht in der beantragten Staatsbürgschaft die einzige Rettung für sein Unternehmen. Dazu gebe es keine privatwirtschaftliche Alternative, betonte er in der Bild-Zeitung. In normalen Zeiten hätte er den von Arcandor vorgelegten Sanierungsplan mit Hilfe von Banken finanzieren können. "In der Finanzkrise ist das jetzt anders. Da bekommen viele Konzerne keine Kredite und der Staat hilft. Warum nicht auch dem Warenhaus?", sagte Eick.

Deutsche Warenhaus AG als "mittelfristige Perspektive"

Als Ausweg aus der Kaufhaus-Krise prüfen die Konkurrenten Arcandor und Metro die Bildung einer Deutschen Warenhaus AG. Eine Fusion der Töchter sei aber wenn überhaupt eine mittelfristige Perspektive, sagte Eick. Es gebe noch nicht einmal "durchdachte Konzepte für einen solchen Zusammenschluss - nicht einmal von der Kaufhof-Mutter Metro". Ziel sei, Arcandor auf eine solide Basis zu stellen. "Dann können wir auch über einen Zusammenschluss von Karstadt und Kaufhof sprechen, vielleicht ab 2010 eine Deutsche Warenhaus AG hinkriegen", sagte Eick.

Er warf Konkurrenten in der Bild vor, auf eine Arcandor-Insolvenz zu setzen, um sich die Sparten billiger einzuverleiben. "Im Falle der Insolvenz holt sich Kaufhof einzelne Häuser. Dann gibt es kein Karstadt mehr", sagte Eick zudem in der FAS.

Großaktionär spricht von "unmoralischem Angebot"

Arcandor-Aufsichtsratschef Friedrich Carl Janssen kritisierte den Vorstoß von Metro-Chef Eckhard Cordes für eine gemeinsame Warenhaus AG als "unmoralisches Angebot". Die Taktik sei durchsichtig, sagte er dem Spiegel. "Herr Cordes strebt keine Branchenlösung an, sondern verfolgt eigene Konzerninteressen", erklärte der Kölner Bankier, der den Arcandor-Großaktionär Sal. Oppenheim vertritt.

Der Tengelmann-Mitinhaber Karl-Erivan Haub kritisierte unterdessen die möglichen Arcandor-Staatshilfen als Wettbewerbsverzerrung. "Wenn es um ein Unternehmen geht, das in den vergangenen Jahren nur Verluste geschrieben hat, kann es doch nicht die Aufgabe des Staates sein, diese Firma mit Steuergeld zu retten", sagte der Unternehmenschef der Wirtschaftswoche. Sollte keine privatwirtschaftliche Lösung gefunden werden, stelle sich die Frage, was an einem Insolvenzverfahren so schlimm sei.

Nach der gescheiterten Hertie-Rettung rechnet Haub mit weiteren Pleiten. Die Branche beklage seit Jahren Überkapazitäten. "Im Grunde könnte jeder vierte Laden verschwinden und die deutschen Verbraucher könnten sich immer noch bequem mit Schuhen, Textilien, Möbeln und Lebensmitteln versorgen."

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