Kampf der Möbelriesen:"Das größte Vergnügen haben die Verbraucher"

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Die deutschen Einrichtungsketten liefern sich mit dem österreichischen Lutz-Konzern einen beispiellosen Schlagabtausch - bisher zum Nutzen der Kunden.

Elisabeth Dostert und Stefan Weber

"Die haben angefangen", sagt Thomas Saliger: "Unser Stil ist das nicht. Diese Art der Werbung war nicht unsere Idee. Wir wehren uns nur", beteuert er.

(Foto: N/A)

Der 37-jährige Tischler und Jurist ist Werbeleiter der österreichischen Möbel-Gruppe Lutz, ein großer blasser Mann mit freundlicher Stimme.

Vor den knalligen Anzeigen, die Saliger flächendeckend an seine Bürowände gepinnt hat, wirkt er noch ein wenig blasser. Er rollt auf seinem mit cremefarbenem Leder bezogenen Bürostuhl ein Stück zurück und greift nach einem weißen Ordner.

"Duelliere mich ganz gern"

Die Akte München. Saliger hat den Fall sorgfältig dokumentiert und jede Werbeanzeige doppelt gefaltet in Klarsichtfolie abgeheftet. "Die", das ist der deutsche Händler und Polstermöbelfabrikant Segmüller aus Friedberg.

Mitte Januar hat die Lutz-Gruppe in München auf der Theresienhöhe, unweit der Oktoberfest-Wiese, ihr erstes Einrichtungshaus in der Stadt eröffnet.

In der Wintersonne spiegelt sich mit scharfen Umrissen der Name XXXLutz in der gläsernen Dachfläche. "Ein Traum", sagt Saliger. An einen Standort in dieser zentralen Lage und dieser Größe komme ein Händler nur selten ran. Der Warenhauskonzern Karstadt hatte im Zuge seiner Sanierung den Standort aufgegeben.

Seit gut zwei Wochen tobt die aggressive Werbeschlacht zwischen Lutz und Segmüller. Beide zählen zu den fünf größten Möbelhändlern in Deutschland. Auch der kleinere Rivale Möbel Mahler mischt mit.

"Ich kenne Peter Segmüller ganz gut und duelliere mich ganz gern", sagt Richard Seifert. Ihm und seinem Bruder Andreas gehört die Lutz-Gruppe.

Sie meiden öffentliche Auftritte. Anders als Marktführer Ikea, der mit seinen billigen Möbeln in skandinavischem Stil als eine Klasse für sich gilt, bekämpfen sich die Verfolger mit ähnlichen Sortimenten: Die mittlere und obere Preislage wird mit Markenmöbeln bedient, das billige Einstiegssegment bestücken Lieferanten aus Osteuropa und Fernost, deren Namen kein Verbraucher kennen soll.

Die Kosten des Schlagabtauschs mag kein Händler beziffern, vermutlich sind es Millionen Euro. Es gibt Eröffnungspreise, Dankeschön-Rabatte, Kundentreue-Bonis, Bestpreise, Jubiläumsangebote, irgend ein Anlass für die nächste Rabattrunde findet sich immer.

360 Euro gibt jeder Deutsche jährlich für Möbel aus. Der Markt mit einem Umsatzvolumen von knapp 30 Milliarden Euro ist hart umkämpft. Seit Jahren stagniert der Umsatz, während die Verkaufsfläche rasant wächst.

Nach Erhebungen der Zeitschrift Möbel Kultur haben allein die 30 größten Möbelhäuser von 1995 bis 2005 ihre Fläche um gut ein Drittel auf 1,4 Millionen Quadratmeter ausgedehnt - die Größe von 200 Fußballfeldern. 135 Läden erfüllten im vergangenen Jahr den so genannten "Palast-Status" - viele solcher Häuser mit einer Fläche von mehr als 25 000 Quadratmetern gehören der Lutz-Gruppe, aber auch Segmüller und Mahler spielen vorne mit.

Die österreichische Gruppe geht aggressiv in den Markt. Mit diversen Zukäufen ist Lutz binnen weniger Jahre an vielen Konkurrenten vorbeigezogen.

Nach der Übernahme der Handelsketten Mann Mobilia und Domäne im vergangenen Jahr bezeichnet sich der Konzern mit 180 Filialen in Österreich und Deutschland, 15 000 Mitarbeitern und knapp 2,2 Milliarden Euro Umsatz jetzt werbewirksam als "zweitgrößter Möbelhändler der Welt" nach Ikea.

In Deutschland rangieren die Österreicher auf Platz drei hinter Ikea und dem Berliner Anbieter Höffner. Den Deutschland-Umsatz nennt Saliger nicht, aber er wird in der Branche auf 1,3 Milliarden Euro geschätzt. Weitere Zukäufe schließt der Mann nicht aus. Auf der Deutschland-Karte in seinem Büro hat er jeden Standort mit bunten Nadeln markiert. Da ist noch viel Platz.

"Heute müsste es geiler Lutz heißen"

Um die Jahrtausendwende hat die Lutz-Gruppe, zu der auch die Marken Mömax, Möbelix, Neubert und Bierstorfer gehören, in Anlehnung an die Größenangaben in der Textilwirtschaft dem Namen Lutz drei X vorgeschoben - XXXLutz. "Heute müsste es geiler Lutz heißen", sagt Saliger.

"Wir müssen uns mehr anstrengen", steht in großen Schreibschrift-Buchstaben auf einem der Plakate in seinem Büro. In Saligers Berufsleben ist die eigene Identität, das Ich, längst dem Wir-Gefühl gewichen. Seit 1995 arbeitet er für Lutz. Im Verkauf hat er angefangen, seit fünf Jahren gehört er der Geschäftsleitung an.

Mit jeder Übernahme und Möbelhauseröffnung wächst der Druck. Die Unternehmen gebärden sich wie pubertierende Teenager. Jeder hält sich für den Größten. Der Maßstab wird passend gerechnet.

Im jüngsten Fall ist das Feindbild klar definiert. "Die Platzhirsche" in München, wie Lutz-Mann Saliger sie nennt, fühlen sich von "den Österreichern", so die Konkurrenz, angegriffen.

Während sich Möbel Mahler aus Wolfratshausen, nach eigenem Bekunden "größtes Einrichtungszentrum südlich von München auf über 40.000 Quadratmeter", noch damit begnügte, die Zahl der ausgestellten Schlafzimmer, Polster oder Küchen gegenüberzustellen, verglich Segmüller in Zeitungsanzeigen die Preise einzelner Produkte, insgesamt neun Stück, fein säuberlich in Spalten aufgelistet.

Die Preisspirale dreht sich. Den Eröffnungspreis des Konkurrenten für die dreiteilige Polstergarnitur 344 mit Sessel, Sofa und Recamiere von 2389 Euro konterte Segmüller unverzüglich mit 1199 Euro.

Lutz besserte mehrfach nach; mittlerweile kosten die Polster im Landhausstil dort noch 1098 Euro. Segmüller verlangt 1049 Euro. "Österreichisches Möbelhaus muss wegen Segmüller zu hohe Eröffnungspreise korrigieren", triumphierte das Unternehmen schon nach wenigen Tagen in ganzseitigen Anzeigen.

Bis zum Marktauftritt des österreichischen Konkurrenten verlangte Segmüller 2700 Euro für die Polstergruppe. Der Preis taucht allerdings in keiner Anzeige auf. Nächste Woche ist der Eröffnungsrummel vorbei, dann erhöhen beide Firmen den Preis wieder.

"Das größte Vergnügen haben die Verbraucher. Die Händler verdienen nichts mehr dran", sagt Saliger. Unter Zugzwang sieht jeder Anbieter den anderen.

"Nicht die zwingen uns. Wir zwingen die", behauptet Saliger: "Wo wir auch hinkommen, wir geben das Tempo vor. Wir sind der unangenehmste Gegner, den sich Segmüller wünschen kann."

In ihrer Werbung bedienen sich die Kontrahenten der gleichen, mit Superlativen gespickten Sprache. Giganten unter sich. Die Anzeigen sind in den gleichen Farben gehalten - Rot und Gelb in dicken Lettern. Zwar sind Preisvergleiche seit zwei Jahren erlaubt.

"Beim Verbraucher kommt die Schweinebauch-Werbung aber kaum noch an", sagt Daniel Adolph, Geschäftsführer des Stuttgarter Büros der Werbeagentur Jung von Matt. Die plumpen Anzeigen heißen im Fachjargon so in Anlehnung an den früheren Werbestil von Fleischern. "Immer mehr Verbraucher wissen, dass es Lockangebote sind und einzelne Preise keinen Schluss auf das gesamte Angebot zulassen", erläutert der Experte.

Um große Zahlen ist auch Reinhold Gütebier, Vertriebsleiter der Segmüller-Gruppe, nicht verlegen. "Die Volksabstimmung findet an der Kasse statt", sagt der 53-jährige Manager. Im bundesweiten Ranking der größten Möbelhäuser führe die Filiale in Weiterstadt.

Das Haus in Parsdorf bei München sei das umsatzstärkste der Region. "Wir haben die Marktführung, und die ist nur durch Preisführerschaft zu erreichen", sagt Gütebier. Mehr habe Segmüller dem Endverbraucher mit dem Preisvergleich nicht klar machen wollen. Den Umsatz von Segmüller mit acht Filialen, eigener Polsterfabrik und 4100 Mitarbeitern beziffert Gütebier auf eine Milliarde Euro.

"Es gibt Leute, die akzeptieren fast alles"

Die Gruppe gehört den Brüdern Hans, Peter und Paul Segmüller. "Wir haben in den vergangenen 18 Monaten 1250 Mitarbeiter eingestellt", sagt Gütebier: "Entlassungen hat es bei uns in den vergangenen Jahren nicht gegeben." In jedem Satz schwingt ein Vergleich, auch wenn der Name des Konkurrenten nicht fällt.

Gütebier und Saliger können aber auch schweigen: Zur Ertragslage äußern sie sich nicht im Detail. "Wir machen Gewinn", behauptet jeder. "In Deutschland ist er aufgrund der starken Expansion noch zu klein", sagt Richard Seifert. Ob und in welchem Ausmaß die Rabattschlacht am Ertrag zehrt, lässt sich nicht abschätzen. Die Familienunternehmen sind sich ähnlicher als ihnen lieb ist.

Während die Marktkonzentration im Lebensmittelhandel und der Textilwirtschaft schon weit fortgeschritten ist, hat sie im von Familienunternehmen geprägten Möbelhandel erst begonnen. Die Gewinner werden in kaufkräftigen Ballungsräumen wie München oder Frankfurt ermittelt. Im nächsten Jahr will Lutz in Aschheim bei München einen neuen "Palast" eröffnen, noch näher am Parsdorfer Möbelhaus von Segmüller.

Den Druck geben die Händler an Mitarbeiter und Lieferanten weiter. "Je größer die Marktmacht einzelner Anbieter, umso mehr versuchen diese, die Preise zu drücken", sagt Dirk-Uwe Klaas, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Möbelindustrie. Um die eigene Ertragskraft nicht zu gefährden, verlagern die Hersteller häufig Produktionskapazitäten ins Ausland, wo die Löhne meist deutlich niedriger sind als in Deutschland.

Lutz drückt auch hier zu Lande die Kosten. Betriebsräte mögen die Brüder Seifert nicht. Einzelnen Mitgliedern der Arbeitnehmervertretung werde eine "einvernehmliche Trennung nahe gelegt", sagt die Betriebsratsvorsitzende des Münchner Lutz-Hauses, Anna Reichert.

Vom alten Personalstamm seien bei Lutz noch 150 übrig geblieben, nicht einmal die Hälfte. "Viele haben Aufhebungsverträge und Abfindungen genutzt, weil sie das Gefühl hatten, dem Druck des ab Mai geltenden neuen Provisionssystems nicht gewachsen zu sein", sagt Reichert.

Neue Mitarbeiter würden zu "schlechteren, marktüblichen Konditionen eingestellt". "Es gibt Leute, die akzeptieren fast alles, weil sie das Geld brauchen", ergänzt Betriebsrat Günter Scheumann, 58. Andere sind geblieben und warten die weitere Entwicklung erst mal ab, denn die Lage im Einzelhandel sei generell schlecht, sagt Scheumann.

"Wir haben bei der Eröffnung alle anderen Häuser übertroffen", sagt die 53-jährige Reichert. Auch Richard Seifert ist zufrieden. Die Immobilie gehört zwei Seifert-Stiftungen.

Die Verträge über eine Eingliederung der BDSK Handels GmbH, Betreiber des Münchner Hauses, in die Lutz-Gruppe rückwirkend zum Jahresanfang 2006 werden gerade ausgearbeitet. Eine rechtliche Verflechtung mit der BDSK habe bisher nicht bestanden, beteuert Seifert. Lutz habe diese nur beraten. "Wir wollten kein krankes Kind in der Schulklasse."

© SZ vom 28.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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