Kaiser's Tengelmann:Übernahme blockiert

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Seit Oktober prüften die Wettbewerbshüter die Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka - jetzt legten sie ihr Veto ein. Überraschend ist das nicht.

Von Caspar Dohmen, Bonn

Es ist eine kurze Verschnaufpause in einem seit Jahrzehnten voranschreitenden Konzentrationsprozess: Der umkämpfte deutsche Lebensmittelmarkt, derzeit zu 85 Prozent bestimmt von einem Quartett aus Edeka, Rewe, der Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) und Aldi, wird vorerst in seiner bisherigen Struktur bleiben. Denn während es durchaus Zeiten gab, in denen jeder Ort, jedes Viertel seinen Tante-Emma-Laden hatte, hatten schon in den Neunzigerjahren nur noch acht Handelsketten gemeinsam einen Marktanteil von 70 Prozent. Als nun Kaiser's Tengelmann im vergangenen Oktober ankündigte, zahlreiche Filialen an Edeka verkaufen zu wollen, drohte das Quartett noch mehr Marktmacht zu bekommen. Dem hat das Bundeskartellamt Einhalt geboten und die Übernahme durch Edeka am Mittwoch vorerst untersagt. Das Veto kam für Branchenkenner alles andere als überraschend. Die Übernahme würde zu einer "erheblichen Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen auf zahlreichen, ohnehin stark konzentrierten regionalen Märkten" führen, erklärte das Kartellamt in Bonn.

Zwar kommen die Tengelmann-Supermärkte bundesweit nur auf einen Marktanteil von 0,6 Prozent. Doch die Wettbewerbshüter schauten sich jeweils die Situation vor Ort an. Da ergibt sich ein anderes Bild: Nach einer Übernahme hätten Edeka und Rewe beispielsweise in München 534 von 758 Supermärkten betrieben und in Berlin 747 von 1208. Auch in einigen Städten des Ruhrgebiets drohte eine "marktbeherrschende Stellung". Eine solche Marktkonzentration bewerteten die Wettbewerbshüter als umso gravierender, als kaum mit neuen Wettbewerbern zu rechnen ist: "Der deutsche Lebensmittelhandel ist ein weitgehend zementierter Markt. Für einen Newcomer ist der Einstieg sehr schwierig", sagte Kartellamtschef Andreas Mundt. Er begründete dies damit, dass "städteplanerisch die Errichtung neuer Standorte kaum noch möglich ist".

Mancherorts wäre die Auswahl an Lebensmittelläden zu klein, wenn Konkurrent Edeka Filialen von Kaiser's Tengelmann übernimmt, befand das Kartellamt. (Foto: Claus Schunk)

Eine weitere Konzentration hätte aus Sicht der Wettbewerbshüter auch den Lieferanten geschadet. Edeka könnte noch mehr Druck in Preisverhandlungen beim Einkauf ausüben, so die Befürchtung. Solche Nachteile drohten nicht nur den heimischen Erzeugern von Käse, Bier oder sonstigen Waren, sondern auch Kleinbauern im Süden, die beispielsweise Bananen liefern. Deswegen hatte die NGO Oxfam in einer Stellungnahme gegen die geplante Übernahme argumentiert.

Deutschlands oberster Wettbewerbshüter erklärte, er hätte den "Fall gerne anders gelöst". Genehmigt hätte das Amt eine Übernahme von einem Drittel der Märkte durch Edeka, etwa 150 bis 170 Märkten. Laut dem letzten Angebot der Beteiligten sollte Deutschlands größter Einzelhändler jedoch rund 350 Märkte übernehmen.

Lokale Händler und ausländische Unternehmen könnten nun zum Zug kommen

Nach dem Veto des Kartellamtes wollen Tengelmann und Edeka rasch über ihr weiteres Vorgehen entscheiden. Edeka erklärte, man habe das Verbot "mit großer Verwunderung und Enttäuschung" zur Kenntnis genommen. Tengelmann sprach von "Unverständnis und Enttäuschung". Beide Unternehmen betonten, sie würden die Argumentation des Amtes ausgiebig prüfen. Eine Tengelmann-Sprecherin bedauerte: "Die Entscheidung führt leider zu größter und vor allem vermeidbarer Unsicherheit bei unseren 16 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei Kaiser's Tengelmann, die nun weiterhin um ihren Arbeitsplatz bangen, statt sich auf eine sichere Zukunft im Edeka-Verbund verlassen zu können." Nach wie vor sei es das erklärte Ziel von Tengelmann, die eigene Supermarktkette als Ganzes in andere Hände zu geben und unter allen Umständen eine Zerschlagung und den damit verbundenen Verlust vieler Arbeitsplätze zu vermeiden.

Für das Unternehmen drängt die Zeit. Seit 15 Jahren machen die Supermärkte Verluste. Eigentümerfamilie Haub subventioniert das Geschäft unter anderem mit den Gewinnen aus den Obi-Baumärkten und dem Billigklamottenhändler Kik. Die Sprecherin wollte sich nicht dazu äußern, ob der geplatzte Verkauf das gesamte Unternehmen in Liquiditätsnöte bringe.

Wie geht es jetzt mit Kaiser's Tengelmann weiter? Eine Möglichkeit wäre, dass kleinere lokale Händler oder Unternehmen aus dem Ausland zugreifen. In Branchenkreisen kursiert der Name der Schweizer Firma Migros, der Interesse an Märkten in Bayern nachgesagt wird. Allerdings ist das Unternehmen noch mit der Integration der vor zwei Jahren übernommenen Tegut-Filialen beschäftigt. Zudem dürften es sich Unternehmen aus dem Ausland genau überlegen, ob sie nach Deutschland expandieren wollen. Der Markt hier ist hart umkämpft, selbst der US-Einzelhandelsgigant Walmart hatte sich wieder zurückgezogen. Kartellamtschef Mundt sieht dennoch Möglichkeiten: "Wir haben im Laufe des Verfahrens glaubwürdige Interessenbekundungen von anderen Unternehmen erhalten."

Die Konzerne können jetzt die Entscheidung des Kartellamts gerichtlich anfechten oder eine Erlaubnis im Wirtschaftsministerium beantragen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) könnte sich über die Bedenken der Wettbewerbshüter hinwegsetzen und die Fusion doch noch ermöglichen. Konkurrierende Unternehmen wiederum können gegen eine solche Ministererlaubnis klagen. Rewe-Chef Alain Carparros warnt bereits: Es wäre ein "Super-GAU, wenn Gabriel Trauzeuge für diese dubiose Hochzeit sein sollte". Die Politik solle sich nicht wegen des Geredes über einen zweiten Fall Schlecker in Geiselhaft nehmen lassen, warnte der Manager. Rewe selbst hatte bei Tengelmann keine Chance: Schon beim Verkauf des Discounters Plus hatte die Unternehmerfamilie Haub Rewe abblitzen lassen und Edeka den Zuschlag gegeben.

© SZ vom 02.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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