Jobabbau bei Siemens und HVB:Endstation Ljubljana

Lesezeit: 2 min

Jobkahlschlag in Bayern: Bei der Hypo-Vereinsbank und Siemens fallen Tausende Stellen weg. Dabei wird deutlich, dass Verlagerungen keineswegs deutsche Arbeitsplätze retten.

Thomas Fromm

Die Hiobsbotschaften kamen in dieser Woche scheibchenweise an die Öffentlichkeit. Zuerst gab die italienische Großbank Unicredit bekannt, in Westeuropa 9000 Arbeitsplätze abzubauen und gleichzeitig Tausende neuer Stellen in Osteuropa zu schaffen. Man darf getrost davon ausgehen, dass über 2000 dieser Jobs bei der Unicredit-Tochter Hypo-Vereinsbank (HVB) in Deutschland wegfallen werden - vor allem in Bayern.

Bei Siemens und der Hypo-Vereinsbank werden Tausende Jobs abgebaut. (Foto: Foto: ddp)

Der nüchternen Mitteilung aus Mailand folgten bittere Wahrheiten aus München: Weltweit will der Siemens-Konzern mehr als 17.000 Stellen streichen; an die 12.000 dürften allein in Europa wegfallen - ein großer Teil davon in Deutschland.

Kürzungen hier, Abbau da - das alles klingt so, als wären Jobs über Nacht einfach weg. Doch weder bei Siemens noch bei der HVB lösen sich Arbeitsplätze in Luft auf. Sie verschwinden einfach nur aus Deutschland.

Zum Beispiel Unicredit: Die Italiener haben sich über Jahre ein paneuropäisches Bankensystem aufgebaut und verteilen nun einfach um. Allein in Polen liegen die Lohnkosten pro Mitarbeiter 70 Prozent unter dem deutschen Niveau. Gleichzeitig brummt dort das Geschäft, Marktanteile und Margen wachsen wie nirgendwo in Westeuropa.

Bei Siemens liegen die Dinge ähnlich: Tausende Stellen werden in der hiesigen Verwaltung abgebaut. In Wachstumsregionen wie Indien und China dagegen stellt der Konzern Tausende neuer Mitarbeitern ein. Indische Ingenieure braucht Siemens zurzeit dringender als Buchhalter und Sachbearbeiter in München, Erlangen oder Berlin.

Schattenseiten der Internationalisierung

So unterschiedlich die Situation bei dem deutschen Technologiekonzern und dem einst stolzen Münchner Finanzinstitut auch sein mag - beide Fälle haben eines gemeinsam: Es werden Arbeitsplätze in großem Stil aus dem Land gebracht. Sei es - wie bei Unicredit - um die Renditen steil nach oben zu treiben; oder wie im Fall des Siemens-Konzerns, der sich gerade dort personell verstärkt, wo er in Zukunft mit den meisten lukrativen Aufträgen rechnet.

Die Beispiele HVB und Siemens zeigen die Schattenseiten der Internationalisierung von Konzernen. Das immer wieder vorgebrachte Argument, die Verlagerung von Arbeitsplätzen in Länder mit günstigeren Personalkosten helfe, Jobs in Deutschland zu retten, dürfte für die betroffenen Mitarbeiter nach dieser Woche ein Schlag ins Gesicht sein.

Zumindest im Fall HVB entpuppt sich die schöne Theorie als reine Legende: Hier sind die Arbeitsplätze in München, Coburg oder Düsseldorf wahrscheinlich für immer weg, weil Mamma Unicredit sie innerhalb der großen internationalen Bankenfamilie nach Warschau oder Ljubljana transferiert. Die Italiener sind seit drei Jahren Mehrheitseigentümer der HVB. Man kann ihre Verlagerungsstrategie unmoralisch finden - verbieten kann man sie ihnen nicht.

Deutschland ein Land unter vielen

Auch bei Siemens lässt sich die Entwicklung kaum stoppen. Rund ein Viertel der weltweit etwa 430.000 Mitarbeiter ist heute noch in Deutschland tätig. Es braucht wenig Phantasie, um sich vorzustellen, dass die Zahl der Beschäftigten hierzulande eher weiter sinken wird.

Dass sich der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) nun öffentlich Sorgen um den Standort Bayern macht, ist verständlich - und auch begründet. Doch auch ein Beckstein wird weder Siemens-Chef Peter Löscher noch den Unicredit-Chefbanker Alessandro Profumo davon überzeugen können, ihre Pläne zu ändern. Bei der HVB liegt die Kommandozentrale längst in Mailand, nicht in München.

Und für Siemens ist Deutschland ein Land unter vielen. "Wir sind ein deutsches Unternehmen und haben hier unsere Wurzeln", beteuert Siemens-Chef Peter Löscher zwar bei jeder Gelegenheit. Das mit den Wurzeln mag stimmen. Aber die dicken Früchte hängen längst woanders. Das sollte jeder Siemens-Mitarbeiter wissen.

© SZ vom 28.06.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: