Jobabbau bei Siemens:Siemens-Chef meidet Machtkampf

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Siemens-Konzernchef Löscher hält an den deutschen Bahn-Werken fest. Stattdessen gibt er den Standort in Prag auf.

Markus Balser und Thomas Fromm

Im Streit mit den Arbeitnehmern um den Abbau Tausender Stellen in Deutschland bewegt sich Siemens-Chef Peter Löscher auf die Arbeitnehmerseite zu: Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung will Löscher bei der Sanierung seiner kriselnden Verkehrstechniksparte auf Werksschließungen in Deutschland verzichten - und sich stattdessen vom Bahntechnik-Werk in Prag mit rund 1000 Beschäftigten trennen.

Das Werk solle verkauft oder geschlossen werden, hieß es nach einem Treffen der Siemens-Arbeitsgruppe "Mobility in Motion", in der Arbeitnehmervertreter am Freitag über die Eckpunkte des Sanierungskonzepts für die Bahntechniksparte informiert wurden.

Bewegung im Streit

Bereits in den vergangenen Tagen waren Löscher und IG-Metall-Chef Berthold Huber zu einem geheimen Treffen zusammengekommen. Seither kommt offenbar Bewegung in den festgefahrenen Streit um den Abbau von mehr als 5000 Stellen in Deutschland. Eine Einigung aber sei noch nicht in Sicht. Die Arbeitnehmerseite fordere von der Konzernspitze nach wie vor ein Abrücken von zentralen Teilen des Sparprogramms.

Wichtigste Forderung der Belegschaft: Der ausdrückliche Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen beim Stellenabbau und darüber hinaus. "Die Beschäftigten im Konzern brauchen nach viel Unruhe nun endlich Sicherheit", sagte ein Siemens-Aufsichtsrat der SZ.

Nicht verhindern können die Betriebsräte aber offenbar, dass in der Verkehrssparte "Mobility" Hunderte Arbeitsplätze in Deutschland wegfallen. Vor allem am Standort Krefeld-Uerdingen, in dem unter anderem Hochgeschwindigkeitszüge für China und Russland hergestellt werden, stehen 200 der 2000 Arbeitsplätze auf der Kippe. Die Sanierung der Bahnsparte gilt als politisch hoch brisant: Löscher will ein Zehntel der 25000 Stellen abbauen.

Der Konzernchef ist zum Erfolg verdammt: Gelingt es ihm nicht, das zukunftsträchtige Geschäft mit Zügen und Straßenbahnen zu sanieren, droht nach Ansicht von Experten ein Verkauf der Sparte. "Der Stellenabbau ist unvermeidbar", räumt daher ein Betriebsrat aus der Verkehrssparte ein. Mit dem Verzicht auf Werksschließungen in Deutschland vermeidet Löscher eine Eskalation in der Auseinandersetzung um den Stellenabbau.

Zum Streit könnte es in den Verhandlungen über das Milliardensparprogramm jedoch beim geplanten Verkauf der Service-Tochter SIMS kommen. In letzter Minute wollten Gewerkschaft und Betriebsrat verhindern, dass sich der Konzern von den 1200 Beschäftigten in Deutschland trennt. "Uns stehen knallharte Verhandlungen bevor", sagt ein hochrangiger Arbeitnehmervertreter. "Aber wir sind zuversichtlich, dass wir den Verkauf verhindern können." Als mögliche Lösung gilt in Arbeitnehmerkreisen ein Verkauf oder das Stilllegen kleiner unrentabler Teile der SIMS, um sie doch im Konzern zu erhalten. Gesamtbetriebsratschef Ralf Heckmann werde die Siemens-Betriebsräte am Dienstag über weitere Details informieren.

Die Proteste gegen den Abbau von mehr als 5000 Stellen in Deutschland und weltweit 17000 Jobs reißen nicht ab. Mit einer großen Kundgebung in Erlangen will die IG Metall gegen die Sparpläne mobil machen. Unter dem Motto "Wir sind Siemens" sind für Mittwoch 1000 Beschäftigte des Konzerns zu einer Demonstration aufgerufen.

© SZ vom 19.07.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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