Job & Karriere:Keine bunte Arbeitswelt

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LGBT-Parade in Bournemouth: Im Job gehen viele nicht so offen mit ihrer Sexualität um. (Foto: Alamy/mauritius)

Homo- und Transsexuelle müssen in deutschen Unternehmen mit vielfältigen Diskriminierungen leben.

Von Larissa Holzki, München

Sexualität spielt am Arbeitsplatz eine Rolle - noch immer. Das merken vor allem diejenigen, die sich nicht wie die Mehrheit der Arbeitnehmer ausschließlich für Menschen des anderen Geschlechts interessieren. Schon die Frage eines Kollegen nach dem vergangenen Wochenende bringt sie in Schwierigkeiten. Kann man als neuer Mitarbeiter frei heraus sagen, dass man mit dem Freund zum Chiemsee gefahren ist? Fast jeder dritte homosexuelle und sogar jeder zweite bisexuelle Beschäftigte würde diese Frage verneinen.

Knapp drei Wochen nachdem der Bundestag die Ehe für alle beschlossen hat, hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes jetzt eine Studie zur Arbeitssituation lesbischer, schwuler, bisexueller und Trans-Beschäftigter in Deutschland vorgelegt. Anlass zum Konfetti-Werfen gibt sie nicht. Zwar hat sich die Zahl lesbischer und schwuler Beschäftigter, die im Job offen mit ihrer Sexualität umgehen, in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Dennoch spricht nicht einmal jeder dritte Homosexuelle mit allen Kollegen offen darüber. Das heißt: Nur jeder Dritte würde sich trauen, seinen gleichgeschlechtlichen Partner mit zum Firmensommerfest zu bringen.

An der Studie haben im Frühjahr etwa 2900 lesbische, schwule, bisexuelle und Trans-Beschäftigte teilgenommen, die die Befragung im Netz entdeckt hatten und motiviert waren, zu antworten. Es ist also schwer zu sagen, ob die Ergebnisse wirklich repräsentativ sind. Das bestätigt auch der Sprecher der Antidiskriminierungsstelle, die die Erhebung des Instituts für Diversity- & Antidiskriminierungsforschung (IDA) und der Hochschule Fresenius gefördert hat. Da jedoch insgesamt wenig über die Situation nicht-heterosexueller Menschen im Arbeitsumfeld bekannt ist, sind die Ergebnisse in jedem Fall beunruhigend.

Die Befragten berichten, dass sie "am Arbeitsplatz Ausgrenzung, Mobbing und Belästigungen" erleben, sagt die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, Christine Lüders. Mehr als drei Viertel der lesbischen, schwulen und bisexuellen Teilnehmer geben an, Diskriminierung erlebt zu haben. Sie werden oder wurden vor allem angegafft (64 Prozent), ignoriert (43 Prozent) und sexuell belästigt (39 Prozent). Mehr als jeder Zehnte in dieser Gruppe wurde nach eigenen Angaben aufgrund seiner sexuellen Orientierung bereits entlassen, versetzt oder gar nicht erst eingestellt.

Wie passt das zu einem Land, in dem gern Regenbogenfahnen geschwenkt werden?

Noch drastischer ausgegrenzt werden transgeschlechtliche Berufstätige. Mehr als ein Viertel der Befragten berichtet von Kündigungen und Jobabsagen. Dass ihre Identität am Arbeitsplatz nicht akzeptiert wird, bekommen sie aber auch zu spüren, wenn ihnen der Zugang zur Toilette ihrer Wahl verwehrt wird oder Namensschilder, Signaturen und Dokumente nicht geändert werden. Wer von solchen Fällen gehört hat, wird eingeschüchtert. Fast 70 Prozent der Trans-Beschäftigten und 56 Prozent der bisexuellen Beschäftigten halten ihre sexuelle Identität vor allen oder fast allen Kollegen geheim.

Andrea Süßenguth kann das verstehen. Jahrzehntelang hat sie es selbst so gehandhabt. Da hieß sie noch Wolfgang und arbeitete als IT-Anwendungsentwickler beim Landkreis Harz. Nach ihrem Outing vor Freunden und Familie traute sie sich Anfang 2011 mit immer weiblicherer Kleidung zur Arbeit. "Ich habe längere Damenpullis getragen und Ohrstecker, indirekt wollte ich damit provozieren, dass endlich alles rauskommt", sagt Süßenguth heute. Aber kaum jemand sprach die damals 52-Jährige auf ihre äußerliche Veränderung an.

Das übernahm sie schließlich selbst: Sie würde ab sofort als Frau Andrea Süßenguth Technikprobleme beheben, schrieb sie ihren 1200 Kollegen in einem offenen Brief im Mitarbeitermagazin und bat auch um Toleranz. "Ich habe in jeder Beziehung Glück gehabt", sagt sie im Rückblick. Viele Kolleginnen stellten neugierig Fragen und beglückwünschten sie. Die Männer im Büro nahmen es einfach hin. Pauschale Schlüsse will sie daraus aber nicht ziehen: "In einem klassischen Männerberuf, zum Beispiel als Bauarbeiter, hätte ich mich das wahrscheinlich nicht getraut", sagt sie.

Wie passt das zu einem Land, in dem begeistert Regenbogenfahnen geschwenkt werden? Beate Küpper geht dieser Frage an der Hochschule Niederrhein wissenschaftlich nach. Ihre Untersuchungen zur Homophobie in der Bundesrepublik zeigen: Ein Großteil der Bevölkerung lehnt die Diskriminierung und offene Abwertung von homo- und bisexuellen Personen ab. "Fragt man allerdings ein bisschen subtiler, dann sagen 44 Prozent der Bevölkerung, Homosexuelle sollten aufhören, so einen Wirbel um ihre Sexualität zu machen", hat Küpper herausgefunden. Mehr als ein Viertel der Befragten wollte mit dem Thema Homosexualität möglichst wenig in Berührung kommen.

Auch wenn diese Haltung nur subtil vermittelt wird, bekommen schwule, lesbische und bisexuelle Kollegen sie zu spüren. "Wenn Sie sagen, Sie kommen mit Ihrem heterosexuellen Partner zur Betriebsfeier, wird das eher als etwas Positives wahrgenommen", sagt Küpper. "Wenn Sie mit Ihrer lesbischen Partnerin kommen wollen, wird Ihnen signalisiert, Sie sollten nicht so viel Aufhebens um Ihr Sexualleben machen." Persönlich kennt Küpper lesbische Frauen, die Angst hatten, eine Lebenspartnerschaft anzugeben und einen anderen Namen anzunehmen - weil sie sich dadurch verraten würden. So viel zum Thema Ehe für Alle.

Unter dieser Situation leiden aber nicht nur die Menschen, die Angst vor Diskriminierung haben müssen. "Je selbstverständlicher die Beschäftigten mit ihrer sexuellen Identität umgehen können, desto höher sind die Arbeitszufriedenheit und die Verbundenheit mit dem Unternehmen", sagt der wissenschaftliche IDA-Leiter Dominic Frohn. Arbeitgeber würden deshalb profitieren, wenn sie Diskriminierung ahndeten und eine offene Unternehmenskultur förderten.

© SZ vom 20.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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