Japan entdeckt Bioprodukte:Herr Hoshino und der Wein vom Dettelbacher Berg

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In den Vereinigten Staaten und in Europa boomt der Markt für Öko-Waren, in Japan sind die Produkte noch weitgehend unbekannt und sehr teuer - das soll sich ändern.

Uwe Ritzer

Eigentlich wollte Kazuo Hoshino in den siebziger Jahren nur sein Physikstudium um ein, zwei Auslandssemester anreichern, aber dann entdeckte der Japaner in Berlin den deutschen Wein und blieb sieben Jahre.

Bioladen in Tokio (Foto: Foto: urit)

Heute betreibt er im feinen Tokioter Einkaufsviertel Ginza einen kleinen, aber feinen Weinhandel, der sich optisch nicht von den Nobelboutiquen nebenan unterscheidet. Die Außenfassade ist mit Marmor verkleidet, innen wird die Ware in gediegenen Vitrinen aus Glas und dunklem Edelholz aufwendig präsentiert. Vorsichtig holt Kazuo Hoshino eine seiner Kostbarkeiten heraus, einen Boxbeutel "Dettelbacher Berg Rondell" des Winzers Helmut Christ aus Dettelbach bei Würzburg.

Fränkischer Weißwein passe vorzüglich zu Sushi, doziert Kazuo Hoshino, der im Bier- und Saketrinkerland Japan als eine Art Ober-Sommelier gilt. Dass die Christ'sche Kerner-Spätlese des Jahrgangs 2005 bei der weltgrößten Öko-Messe Bio-Fach in Nürnberg mit einer Goldmedaille prämiert wurde, sei erfreulich, sagt Hoshino.

Für seine zahlungskräftige Kundschaft ist es aber nur Nebensache. Denn während der Markt für Bio-Produkte in Europa und Nordamerika Jahr für Jahr in zweistelligen Raten wächst, entwickelt er sich in Japan, der nach den USA zweitstärksten Volkswirtschaft der Erde, nur sehr langsam.

6,50 Euro für zehn Eier

Maximal ein Prozent aller verkauften Lebensmittel werden nach ökologischen Kriterien angebaut und produziert, schätzen Experten.

Während die Nachbarn China und Indien erklärtermaßen die weltgrößten Bio-Erzeuger werden wollen, stellt kaum ein japanischer Landwirt seine Produktion entsprechend um. Nicht einmal ein halbes Prozent der Anbaufläche Japans wird ökologisch bewirtschaftet. Und die Nachfrage? Wer in der Hauptstadt Tokio Öko-Lebensmittel oder etwa Naturkosmetik kaufen will, muss sehr lange suchen.

Bei Mitsukoshi zum Beispiel, einer alten japanischen Kaufhauskette, finden sich Bio-Cremes oder -Shampoos nicht in der großzügigen Kosmetikabteilung mit den vielen internationalen Labels im Erdgeschoss, sondern im Nirgendwo zwischen Bilderrahmen, Kissen und Knirps-Regenschirmen im siebten Stock.

Mitsukoshis Konkurrent Matsuzaka hat über seine wenigen Regalmeter mit Öko-Ware wenigstens kleine Plakate gehängt, die für die Produkte werben, "die freundlich zur Umwelt sind". Ähnliches verheißen auch Schilder am Eingang eines Bio-Supermarktes im Stadtviertel Aoyama: "Natural, safety, ecology" (natürlich, sicher, ökologisch) sei alles, was man in dem Geschäft kaufen kann.

Viele werdende und junge Mütter kaufen hier ein, auch Besserverdienende, die sich umgerechnet 6,50 Euro für zehn Eier oder 2,50 Euro für einen Liter Milch leisten können. Öko-Ware kostet in Japan nicht selten ein Mehrfaches konventionell hergestellter Produkte. Bei genauem Hinsehen stellt sich allerdings heraus, dass die Bio-Welt in diesem blitzsauberen Supermarkt gar nicht so heil ist.

Große Kaufkraft

Auf den in Folie eingeschweißten knallroten Tomaten klebt ein Etikett: "Nur mit halb so viel Spritzmitteln behandelt wie üblich." Längst nicht alles, was in Japan als "Bio" gilt, ist es nach den in USA oder Europa geltenden Maßstäben auch. Zwar gibt es seit 2001 das Gütesiegel "Organic JAS" für zertifizierte Öko-Produkte. Doch anders als sein europäisches Gegenstück, das grüne EU-Bio-Sechseck, hat es sich noch nicht durchgesetzt.

"Nur die wenigsten Japaner kennen es", sagt Tobias Rösch. Mit seinem Kollegen Dietmar Segl hat der Ernährungswissenschaftler aus Gießen Japans Bio-Markt untersucht. Ihr Fazit: "Wenn man mehr für Bio werben würde, wäre der Markt auch da.

Es fehlt das Engagement der Politik, um bei der Bevölkerung das Bewusstsein zu wecken." Glaubt man Marutei Tsurunen, wird bald alles besser. Der gebürtige Finne, ein hagerer Mann mit grauem Seehundschnauzbart, ist nicht nur erster Europäer im japanischen Oberhaus, sondern er leitet dort auch einen Öko-Fachausschuss.

"Unser Ziel ist es, binnen zehn Jahren einen Bio-Marktanteil bei Lebensmitteln von zehn Prozent zu erreichen," sagt er. Lange Zeit war der Politiker unter seinesgleichen ein verlorener Einzelkämpfer. Nun konnte er seine Oberhauskollegen immerhin überzeugen, das jährliche Budget für die Förderung des Öko-Landbaus zu verzehnfachen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Industrie besonders von der möglichen Biowelle in Japan profitieren könnte.

Von 2008 an stehen 550 Millionen Yen zur Verfügung - umgerechnet nicht einmal 3,5 Millionen Euro. "Die Zeit ist reif für Bio in Japan", glaubt Tsurunen. Er ist zur Eröffnung des japanischen Ablegers der Bio-Fach gekommen, den die Nürnberger Messegesellschaft im Tokioter Messezentrum "Big Sight" zum siebten Mal veranstaltet. Obwohl die Schau Jahr für Jahr wächst, ist sie mit gut 200 Ausstellern und knapp 20 000 Besuchern eine sehr überschaubare Veranstaltung.

Nachdem der Inselstaat Japan auf Lebensmittelimporte angewiesen ist, sind auch viele ausländische Bio-Anbieter da. Angelockt werden sie vom Umstand, dass Japaner nach Amerikanern die zweitgrößte Kaufkraft der Welt aufweisen, als konsumfreudig gelten und gerne Neues ausprobieren. Warum also nicht auch Öko-Ware?

Die größten und wohl berechtigtsten Hoffnungen unter den Ausstellern auf ein gutes Japangeschäft hegen die Hersteller und Vertreiber von Naturkosmetik. Viele Lebensmittelskandale, Medienberichte über minderwertige Nahrungsmittel und die Zunahme von Allergien in der japanischen Bevölkerung führen dazu, dass eine wachsende Zahl von Verbrauchern sich um die eigene Gesundheit sorgt und eben doch im Zweifelsfall zur deutlich teureren Bio-Creme greift.

Das, sagen Experten wie Rösch und Segl, könnte zukünftig tatsächlich den Bio-Markt insgesamt mitziehen. Zumal sich in Japan eine an sich amerikanische Bewegung breit macht, die sich Lohas nennt, was für Lifestyle of Health and Sustainability steht. Dahinter verbergen sich Basisgruppen, deren Mitglieder sich einem Lebensstil auf der Basis von Gesundheit und Nachhaltigkeit verschrieben haben. Umfragen belegen, dass ein Drittel der Erwachsenen im Land von Lohas zumindest schon gehört haben.

© SZ vom 3.11.2007/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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