75 Jahre Lego:Es musste ein Ruck durch Legoland gehen

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An der digitalen Konkurrenz durch Nintendo und Playstation ging Lego fast pleite. Doch ausgerechnet in Japan verdienen die Dänen heute viel Geld - mit Bildung.

Moritz Jäger

Der Tischlermeister Ole Kirk Christiansen dürfte nicht geahnt haben, welche Lawine er da losgetreten hat. In seiner Werkstatt im dänischen Billund begann am 10. August 1932 die weltweite Erfolgsgeschichte von Lego.

Die Allianz-Arena im Legoland Günzburg. Ob da auch 69.901 Lego-Männchen drin sind? (Foto: Foto: dpa)

Heute feiern 5.000 Beschäftigte den 75. Jahrestag der Firmengründung des Spielwaren-Konzerns.

In Billund, einer Kleinstadt im Jütland, ist auch heute noch die Zentrale angesiedelt. Den Namen Lego setzte Christiansen 1934 aus der dänischen Aufforderung "leg godt" (spiel gut) zusammen. Erst seit 1949 begann er mit der Herstellung der legendären Plastikbauklötze - bis dahin experimentierte er mit Holzbausteinen.

Innerhalb eines halben Jahrhunderts trat das Spielzeug einen beispiellosen Siegeszug um die ganze Welt an - mit nur wenigen Farben und Formen, dafür umso mehr Spielraum für die Phantasie.

Weltweiter Siegeszug der Lego-Männchen

1968 eröffnete der erste "Legoland"-Freizeitpark in Billund. Mittlerweile steht auch einer im kalifornischen San Diego. Im deutschen Ableger ist man architektonisch stets auf der Höhe der Zeit. Die Allianz-Arena ist im schwäbischen Günzburg genauso en miniature nachgebildet wie das Sony Center vom Potsdamer Platz in Berlin.

Transrapid und Airbus A380 waren in Legoland weit früher vollendet als in der realen Welt. 1977 wurde die Produktserie "Lego Technik" eingeführt: Zahnräder, Getriebe und Elektromotoren bedeuteten eine neue Dimension intelligenten Spielens.

Doch dann geriet das Familienunternehmen in eine schwere Krise. Computerspiele verdrängten die Baukästen Ende der neunziger Jahre mehr und mehr aus den Regalen der Spielwarengeschäfte. Gleichzeitig kamen auch andere Traditionsspielzeuge wie etwa Modelleisenbahnen unter die Räder des digitalen Zeitalters.

Lego wurde immer profaner, statt profitabler

Der Konkurrenz durch Atari, Nintendo und schließlich dem Internet waren die Plastiksteinchen zunächst nicht gewachsen. Bei Lego reagierte man panisch und verzettelte sich mit Lizenzen - plötzlich klebten die vier Buchstaben auf Videospielen, Kinderfahrrädern und anderen Produkten, denen jeglicher Bezug zur Marke Lego fehlte.

Als schließlich die robusten "Duplo"-Steine ohne Not in "Explore" umgetaufte wurde, war klar: Lego wird immer profaner, statt profitabler. Tiefpunkt dieser Entwicklung war ein Verlust von 226 Millionen Euro im Jahr 2004. Ein Jahr später verkaufte Lego seine Freizeitparks zu 70 Prozent an die US-amerikanische Investmentfirma Blackstone.

Im Jahr 2006 betrug der Reingwinn schon wieder 192 Millionen Euro, den Konzernchef Jørgen Vig Knudstorp erstmals wieder als "äußerst zufriedenstellend" einstufte. Was war geschehen?

Lesen Sie weiter auf Seite 2: Wie Lego den Turnaround schaffte

Lego hat einen radikalen Turnaround hingelegt. Teile der Produktion wurden von den Hochlohnstandorten Dänemark und Schweiz nach Osteuropa ausgelagert. Viel wichtiger allerdings: Man hat sich wieder auf das Kerngeschäft mit den Bauklötzen konzentriert.

Die Agentur Serviceplan sucht einen Graphiker - mit einem Plakat aus Lego. (Foto: Foto: Art Directors Club für Deutschland (ADC) e.V.)

Der Spielleitung in Billund wurde das Potential, welches die Weltmarke nicht nur als Spiel-, sondern auch als Bildungsinstrument hat, wieder bewusst: Die Devise lautete fortan: Weg von der Adaption uninspirierter Computerspiele und zurück zu Kombination, Konstruktion und Konzentration!

Heute macht Lego mit intelligentem Spielen sprichwörtlich Schule. In Japan, Südkorea, China, Singapur und Australien hat das Unternehmen über 120 sogenannte "Lego Education Center" eröffnet. Dort sollen Kinder mit speziell für den Unterricht entwickelten Lego-Produkten zu kreativem und problemlösendem Denken angeregt werden.

Lego macht Schule

Diese Bildungsoffensive zielt auf alle Altersklassen: Für Kleinkinder gibt es Lego "Soft". Grundschüler können mit Windrädern und Solarzellen aus den "eLab"-Baukästen experimentieren.

Und die traditionell schwierige Gruppe der Teenager fühlt sich von der Lego "Mindstorms"-Serie herausgefordert: Hier lernt man, Lego-Roboter per selbstprogrammierter Computersoftware zu steuern - eine praxisnahe Ergänzung zum herkömmlichen Schulunterricht.

Die Anfänge der computergestützten "Mindstorms"-Serie geht auf eine Kooperation von Lego mit dem umtriebigen "Media Lab" des Massachussetts Institute of Technology (MIT) zurück. 1984 wollte Lego mit der Verschmelzung von interaktiver Technologie und moderner Lernmethodik der Zukunft ein Schritt voraus sein. Gut 20 Jahre später ist man jedoch froh, überhaupt wieder mit dem Zeitgeist Schritt halten zu können.

Um "Lego Mindstorms" herum haben sich regelrechte Fan-Gemeinden gebildet, die weltweit Programmierwettbewerbe austragen und die Open-Source-Software ständig weiterentwickeln. In der "First Lego League" haben sich bisher über 90.000 Jugendliche aus 49 Ländern organisiert. Kommuniziert wird über das Internet. Mit simplen Bauklötzen "unplugged" hat das nichts mehr zu tun.

Lesen Sie weiter auf Seite 3: Warum Manager Lego spielen

Besonders in Asien kommt die Lernoffensive von Lego gut an. Es ist kein Geheimnis, dass ehrgeizige Eltern in Japan und den Tigerstaaten Taiwan und Südkorea viel Geld für die Bildung ihrer Kinder ausgeben.

Jeder, der einmal in Tokyo oder Taipeh gewesen ist, dürfte sich gewundert haben, woher gegen Mitternacht auf einmal Horden von Schulkindern die Straßen bevölkern. Sie kommen aus Nachhilfestudios oder Abendschulen, die sie nach der Ganztagsschule noch besuchen müssen. Lego spielen zu müssen, dürfte da eine willkommene Abwechslung sein.

Es ist also nicht verwunderlich, dass gerade in diesen bildungsverrückten Märkten ein "Lego Education Center" nach dem anderen eröffnet.

Der eigentliche Clou aber ist, dass Lego diese Erfolgsstory genau dort schreibt, wo die einst so gefürchtete Konkurrenz in Form von Nintendos oder Tamagotchis herkam. Asien gilt den Dänen heute als boomender Absatzmarkt - wer hätte das gedacht?

Erwachsene und Manager als lukrative Zielgruppe

Lego "Serios Play", einem speziell für Führungskräfte entwickeltem Baukasten, sollen unternehmerische Probleme auf spielerische Art und Weise gelöst werden - was besonders dem Teamgedanken Rechung trägt.

Und eine weitere Zielgruppe haben die Dänen erschlossen: Manager. Statt Ränkespielen heißt es nun in Vorstandsetagen: Lego spielen!

Zahlreiche Unternehmen lassen bereits mit Lego spielen: Nokia und Alcatel ebenso wie Tetra Pak, Varta, Orange oder der IT-Systemintegrator Comparex. In Deutschland zählen Bosch, die Deutsche Bank und E.ON zu den Kunden.

Trotz der Krise war man bei Lego kreativ. Und nach den Krisenjahren glaubt man wieder an die Zukunft der Marke. Im vergangenem Jahr setzte Lego in Deutschland, dem wichtigsten Markt des Spielzeugs, 221 Millionen Euro um. Der Marktanteil bei Spielwaren betrug 11,9 Prozent.

Kurz vor dem Jahrtausendwechsel wurde der Legostein vom amerikanischen Fortune Magazine und der British Association of Toy Retailers (Britischer Verband des Spielzeugfachhandels) zum "Spielzeug des Jahrhunderts" gekürt. Die "goldene Regel" von Lego lautet übrigens, dass Spielen nicht reglementiert werden darf.

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