IWF:Diplomatische Niederlage für Deutschland und Frankreich

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Spaniens Ex-Finanzminister Rato gilt mittlerweile als Favorit für die Spitzenposition beim Internationalen Währungsfonds. Der von Frankreich und Deutschland geförderte Kandidat Lemierre gerät zunehmend ins Hintertreffen.

lsb.

Dies verlautete am Rande des Jahrestagung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, der so genannten Osteuropa-Bank, die am Sonntag in London begonnen hat.

Wie es heißt, wird Rato sowohl von US-Finanzminister John Snow als auch von seinem britischen Amtskollegen Gordon Brown unterstützt. Der Brite spielt eine wichtige Rolle, weil er gegenwärtig den Führungsausschuss des IWF präsidiert.

Berlin und Paris dagegen hatten sich auf den Präsidenten der Osteuropa-Bank, den Franzosen Jean Lemierre, als Köhler-Nachfolger festgelegt.

Bei ihrem Treffen vor zwei Wochen in Irland hatten die EU-Finanzminister sowohl Lemierre als auch Rato als Kandidaten für die Nachfolge von Horst Köhler nominiert, der deutscher Bundespräsident werden soll und deshalb von seinem IWF-Amt zurücktrat.

Trostrede

Die Entscheidung zwischen beiden sollte ursprünglich am Rande der Jahrestagung der Bank fallen. Ein für Sonntag geplantes Treffen der Politiker ist jedoch nicht zustande gekommen.

Bundesfinanzminister Hans Eichel und eine Reihe seiner Kollegen ließen sich vertreten. Als Trostpflaster für Lemierre, dessen Leistung allgemein Anerkennung findet, will der britische Premierminister an diesem Montag mit einer Rede der Jahrestagung Glanz geben.

In ihrem Bericht über das vergangene Jahr attestiert die Osteuropa-Bank Russland ein stürmisches Wirtschaftswachstum von 7,3 Prozent; für das laufende Jahr rechnet sie mit 5,5 Prozent, heißt es in dem Papier über die ehemaligen Ostblock-Staaten, das das Institut am Sonntag veröffentlichte. Dabei seien allerdings die hohen Öl-Preise praktisch allein das Schwungrad der Konjunktur.

In den mitteleuropäischen EU-Beitrittsländern wie Polen und Ungarn habe sich das Wachstum im Jahr 2003 auf 3,7 Prozent erhöht; im laufenden Jahr dürfte es sogar 4,3 Prozent erreichen. Allerdings gehe dies hauptsächlich auf hohe Staatsdefizite zurück. In Polen etwa dürfte sich das Defizit in diesem Jahr sogar noch bis auf 7,6 Prozent des Sozialprodukts erhöhen, heißt es in dem Bericht.

Anhaltend schlecht ist die dagegen die Situation bei einer Gruppe von sieben kleineren Nachfolgestaaten der UdSSR sowie auf dem Balkan, erklärt die Bank. In diesen Ländern lebe noch immer jeder zweite Einwohner unterhalb der Armutsgrenze. Private ausländische Investitionen fließen bislang kaum in diese Staaten. Die Bank wolle dort künftig auch bei größerem Risiko Kredite vergeben, sagte Präsident Lemierre der Süddeutschen Zeitung. (Thema des Tages, Personalien)

© SZ vom 19.4.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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