Italien:Es klemmt

Lesezeit: 2 min

Im Nachbarland Italien herrscht blanke Not, weil die Banken mittlerweile kaum mehr Kredite vergeben. Jetzt bäumt es sich gegen deren Absturz auf - mit einem Hilfsfonds, der unterfinanziert ist.

Von Ulrike Sauer, Rom

Italiens Banken haben auf Druck der Regierung einen privaten Hilfsfonds aufgelegt. Dieser soll die von 200 Milliarden Euro fauler Kredite bedrängten Banken vor dem Absturz bewahren. Italien will damit eine neue Finanzkrise abwehren. "Ist das Problem der notleidenden Kredite erst gelöst, kommt auch die Geldvergabe an die Wirtschaft in Schwung", sagte Finanzminister Pier Carlo Padoan. Italiens Wachstum stockt nach zwei Jahren Reformen immer noch. Die Rezession ist beendet, die Kreditklemme nicht.

Die Konjunkturforscher des Industrieverbandes stellten in ihrem April-Bericht fest: "Die Bankausleihungen gehen weiter zurück, obwohl die Nachfrage auch nach Investitionskrediten steigt. Damit bleibt die Kreditvergabe ein großes Wachstumshemmnis." Bis zum Wochenende sammelte der Fonds 4,25 Milliarden Euro bei 67 Investoren ein. Mario Draghi, der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), begrüßte die Initiative als "kleinen Schritt in die richtige Richtung". Sogar Bundesbank-Chef Jens Weidmann äußerte Gefallen: Der Fonds sei "der richtige Weg", sagte er. Ansonsten ließ er bei seiner Analyse kein gutes Haar an Italien.

Das Kabinett von Regierungschef Matteo Renzi verkürzte zudem die Frist, nach der die Banken bei einem Kreditausfall Zugriff auf ihre Sicherheiten erhalten. Bislang verstreichen in Italien bis dahin sechs bis acht Jahre - mehr als doppelt so viel wie in den europäischen Nachbarländern. Die chronische Langsamkeit gilt als ein Grund dafür, dass der Handel mit faulen Krediten in Italien nie in Gang gekommen ist. Zu breit klafft der Abstand zwischen den Kaufgeboten der Spezialisten und dem Wert der Ausfallkredite in den Bilanzen. "Aus sechs bis acht Jahren werden sechs bis acht Monate", versprach Renzi.

Die Aktienkurse der Finanzinstitute fielen um 40 Prozent

Ziel der Regierung ist es, Druck von den Banken zu nehmen und das Vertrauen in ihre Solidität zu stärken. Ihrerseits haben die Geldinstitute das Problem mit Wertberichtigungen entschärft. Nach hohen Abschreibungen stehen noch 85 Milliarden Euro notleidender Kredite in ihren Bilanzen. Ein Wendepunkt scheint nun erreicht zu sein. Im Februar ging das Gesamtvolumen der faulen Kredite erstmals seit 2008 spürbar zurück. Und der Mailänder Bankenindex legte seit dem 7. April, als erste Indiskretionen über den Fonds die Runde machten, um 18 Prozent zu.

Der Hilfsfonds namens Atlas ist die Antwort auf die blanke Not in Italien. Mehr als ein Jahr lang bedrängte Finanzminister Padoan die EU-Kommission, eine Intervention zur Säuberung der Bankbilanzen zu genehmigen. Die Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager ließ ihn immer wieder abblitzen. Die Spannungen vergifteten zwischenzeitlich die Beziehungen zwischen Rom und Brüssel und höhlten das Vertrauen in die Banken weiter aus. Ihre Aktienkurse fielen in den ersten drei Monaten dieses Jahres um 40 Prozent. Viel Zeit ging verloren, ehe sich Italien den neuen Anforderungen der europäischen Bankenregulierung stellte. Nun klopft Vestager der italienischen Regierung auf die Schultern. "Die Banken müssen sich heute wieder ihrer Verantwortung stellen, und der Atlas-Fonds ist ein gutes Beispiel dafür", lobte die Dänin.

Tatsächlich hat die italienische Regierung den Rettungsschirm noch gerade rechtzeitig aufgespannt, um den Kollaps der Volksbank aus Vicenza zu verhindern. Um die Eigenkapitalquote wie von der EZB verlangt auf 10,25 Prozent zu erhöhen, musste die Banca Popolare di Vicenza vergangene Woche 1,75 Milliarden Euro einsammeln. Das Interesse der Investoren war angesichts der hohen Bürde fauler Kredite mau. Um einen Domino-Effekt auf das Bankensystem zu verhindern, musste Atlas am Freitag 92 Prozent der neuen Aktien unterzeichnen. Das kostete den Hilfsfonds knapp 1,4 Milliarden Euro. Die bestandene Feuerprobe offenbarte, auf welch dünnem Fundament der Fonds im Moment noch steht. Mehr als ein Viertel seiner Dotation ist bereits aufgebraucht.

© SZ vom 02.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: