Investoren aus Schwellenländern:Entwicklungshilfe für Bayern

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Der Freistaat Bayern wirbt um Investoren aus Schwellenländern. Mit Erfolg: Jetzt kommen Inder und schaffen Arbeitsplätze.

Sarina Märschel

Die Kellner schenken Mango-Lassi und Weißbier aus. Der offizielle Teil des Empfangs, die Vorträge und höflichen Reden, sind vorbei. Indische Geschäftsleute und Vertreter großer deutscher Unternehmen stehen beim Empfang im Wirtschaftsministerium an runden Stehtischen und bemühen sich, ihre Netzwerke zu erweitern.

Weißbier und Mango-Lassi: Der Freistaat wirbt um indische Investoren. (Foto: Foto: Invest in Bavaria)

Es geht bei Treffen wie diesem um Kontakte, um Investitionen, um die Eroberung neuer Märkte. Und letztlich auch um Arbeitsplätze.

"Die Welt ist eben ein Dorf"

Geredet wird hier allerdings weniger über die Verlagerung deutscher Produktionen nach Indien - das Ziel des Treffens sind Investitionen in Bayern. "Invest in Bavaria", eine Stabstelle des bayerischen Wirtschaftsministeriums, die sich um Ansiedlungspolitik und Standortmarketing kümmert, hat das Treffen organisiert. "Die Welt ist eben ein Dorf", sagt Anant Padhye, Regional Director beim indischen Konzern Satyam Computer Services - und lächelt höflich. Die Globalisierung ist in Bayern angekommen - in Gestalt indischer IT-Unternehmen, die nach neuen Märkten suchen.

Indische Investoren kommen nach Deutschland? "Sie hätten mich mal vor sechs Jahren fragen sollen, da hätte ich gesagt: 'Das gehört doch andersherum!'" Jörg Hecker arbeitet seit fünf Jahren für Wipro, einen großen IT-Dienstleister mit Hauptsitz in Bangalore. Inzwischen hat nicht nur Hecker selbst seine Einschätzung geändert: Es sei inzwischen jedem klar, dass Indien eine Wirtschaftsmacht ist. "Heute stoße ich eher auf Interesse als auf Erstaunen, wenn ich erzähle, dass ich für ein indisches Unternehmen arbeite. Das hat sich in den vergangenen zwei Jahren stark gewandelt."

Der Freistaat wirbt schon länger um Investoren aus Schwellenländern: Bereits seit sechs Jahren versucht beispielsweise ein Büro der "Invest in Bavaria" in Bangalore, indische Firmen nach Bayern zu locken. Die "Invest in Bavaria" rührt aber auch in Johannesburg, Tokio, Bukarest, Singapur oder Mexiko-Stadt die Werbetrommel, um Unternehmen für Bayern zu gewinnen. Die Stabstelle vermittelt den Investoren alle Kontakte, die sie benötigen, um in Bayern Fuß zu fassen: Sie pflegt Beziehungen zu verschiedenen Ministerien, zu Banken, Kommunen, Verbänden und weiteren Netzwerken.

Dieses Mal geht es nur um indische Investoren. Die bayerische Wirtschaftsministerin kommt an diesem Abend persönlich vorbei, um die Inder zu begrüßen und Bayern als Wirtschaftsstandort anzupreisen. Emilia Müller schwärmt von den engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Indien und Bayern. Ihre Hoffnung für die Zukunft: "Bayern sollte und wird für indische Unternehmen die Nummer eins unter den Standorten in Deutschland sein, wenn nicht sogar in Europa!"

Mehr als 50 indische Firmen haben sich in Bayern schon angesiedelt. Die Chancen dafür, dass es mehr werden, stehen nicht schlecht: "Die Inder sind unheimlich unterwegs", sagt Alexander Duisberg, Anwalt bei der Kanzlei Bird & Bird in München. Er berät indische IT-Unternehmen bei der Ansiedlung in Deutschland und hilft ihnen, im deutschen Markt Fuß zu fassen. Seine Erfahrung: Die Inder haben Geld. Und sie sind interessiert: "Europa steht stark im Fokus, vor allem Deutschland und Frankreich." Bislang übernehmen die multinationalen Konzerne mit Stammsitz in Indien vor allem kleine Technologieunternehmen mit fünf bis zehn Millionen Euro Umsatz im Jahr. Durch die Ankäufe können die Konzerne Kundenkanäle erschließen - und haben damit auf dem deutschen Markt einen Fuß in der Tür. Duisberg ist überzeugt: "In Zukunft werden sich indische Firmen verstärkt hier einkaufen."

Das klingt erst einmal nach Billiglöhnen. Nach Ansicht des Juristen können Übernahmen durch indische Firmen für die Mitarbeiter aber auch sehr angenehm verlaufen: "Inder sind bedächtig. Sie sind softer als die Amerikaner, lassen das Management erst einmal laufen und bringen ihre Vorstellungen langsam ein."

Netzwerken im Wirtschaftsministerium: Treffen zwischen indischen und deutschen Geschäftsleuten. (Foto: Foto: Invest in Bavaria)

Eine bayerisch-indische Erfolgsgeschichte hat der Konzern Wipro geschrieben. Das Unternehmen kam 2002 nach Deutschland. "Damals mit einer lächerlichen Anzahl von Mitarbeitern", sagt Hecker, der in der strategischen Beratung der Kunden von Wipro Technologies tätig ist. Inzwischen wächst das Geschäft auf dem hiesigen Markt jedes Jahr um 50 bis 100 Prozent. Das sind Wachstumsraten, die in den USA oder Großbritannien kaum mehr zu schaffen sind. Die Analysten machen aber Druck - und so versuchen die indischen Großkonzerne nun, das europäische Festland zu erobern.

Rund 95.000 Menschen sind weltweit für Wipro tätig, in Deutschland sind es etwa 2500. Ein Zehntel davon stammt auch aus Deutschland - die anderen wurden vom indischen Mutterkonzern nach Deutschland entsandt. Die deutschen Mitarbeiter sind vor allem im Management und im Vertrieb tätig. Denn Geschäfte scheitern leicht an Kommunikationspannen, an kulturellen Barrieren - Wipro versucht, dem vorzubeugen, indem sich vor allem Deutsche um den Kontakt zu den Kunden kümmern. Trotzdem haben es indische Konzerne oft schwer, deutsche Kunden von sich zu überzeugen: "Die Vorbehalte sind ein Problem: In Deutschland geht man davon aus, dass Offshoring Arbeitsplätze vernichtet und dass die Qualität nicht den deutschen Erwartungen entspricht", sagt Hecker.

Ravi Shankar, Deutschland-Manager von Microworld Technologies, lebt seit sieben Monaten in München. Er ist einer von inzwischen rund 6500 Indern in Bayern. Für sein Unternehmen baut er das Deutschland-Geschäft auf. Wie sich das anfühlt, als Pionier in ein Industrieland zu kommen? Im reichen Bayern Arbeitsplätze zu schaffen? Ravi Shankars wirkt irritiert, er wundert sich über diese Frage. Entwicklungs-, Schwellen-, Industrieland - er lässt diese Kategorien nicht mehr gelten. Seine Antwort: "Die Welt rückt enger zusammen."

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