Wirtschaftsbeziehungen:Chinesen investieren weniger in Europa

Lesezeit: 2 min

Investoren wollen sich mittler­weile häufiger an Energie-­ und anderen Infrastruktur­unternehmen beteiligen.

Von Elisabeth Dostert, München

Fußballfans dürfte der Name längst ein Begriff sein. Der chinesische Konzern Hisense war einer der offiziellen Sponsoren der Weltmeisterschaft in Russland. Der Elektronikkonzern stellt Fernsehgeräte, Kühlschränke und Waschmaschinen her. Und er zählte im ersten Halbjahr 2018 zu einem der größten chinesischen Investoren in Europa. Zwölf Euro je Aktie, das entspricht einer Gesamtbewertung von knapp 300 Millionen Euro, bot Hisense Ende Mai für den börsennotierten slowenischen Hausgeräte-Hersteller Gorenje. Bis Ende Juni sammelte Hisense rund 95 Prozent der Aktien ein. Selbst langjährige Investoren wie der staatliche slowenische Fonds Kapitalska Družba (KAD), die Weltbank-Tochter International Finance Corp und der japanische Konzern Panasonic trennten sich. Hinsense war nicht der einzige Bieter aus der Volksrepublik. Berichten zufolge hatten auch die Hausgerätehersteller Haier und Hefei Meiling Interesse.

Im ersten Halbjahr 2018 steckten chinesische Konzerne knapp 15 Milliarden Dollar in europäische Firmen, noch nicht einmal halb so viel wie vor Jahresfrist. Auch die Zahl der Transaktionen war rückläufig, sie sank im Vergleich der ersten Jahreshälften von 126 auf 111, wie aus einer Studie der Prüfungs- und Beratungsfirma EY hervorgeht. Die mit Abstand größte Transaktion war der im Februar bekannt gewordene Einstieg des chinesischen Milliardärs Li Shufu bei Daimler. Über seine Firma Geely erwarb er ein Aktienpaket von 9,7 Prozent im Wert von knapp neun Milliarden Dollar.

Die Rekorde stammen aus dem Jahr 2016, damals waren es 309 Transaktionen im Wert von rund 86 Milliarden Dollar. In jenes Jahr fielen Übernahmen wie die von Syngenta durch Chemchina für gut 44 Milliarden Dollar und Kuka durch den Hausgerätehersteller Midea für 4,7 Milliarden Dollar. Der Verkauf des Roboterherstellers hatte in Deutschland eine heftige Debatte um den Ausverkauf von Hochtechnologie ausgelöst. Der Gegenwind habe "eindeutig" zugenommen, schreibt EY-China-Expertin Yi Sun: "Es gibt teilweise politische Bedenken und die Sorge vor einem Ausverkauf von Knowhow."

Es gibt noch andere Gründe für den Rückgang, schreibt Yi Sun. Zum Teil wurden die Interessenten aus China überboten oder die Finanzierung scheiterte an den schärferen regulatorischen Anforderungen in der Volksrepublik. Keineswegs nachgelassen habe das Interesse der Investoren aus China. Allerdings verschiebe sich der Schwerpunkt der Investitionen. Zwar interessieren sich Chinesen nach wie vor für klassische Industrieunternehmen, dort fanden die meisten Transaktionen statt. Aber ihr Interesse an Zukäufen in den Bereichen Infrastruktur, Energie, Hightech und Pharma wachse. Einige dieser Investitionen scheiterten an politischem Widerstand, wie der Einstieg des Staatskonzerns State Grid beim Netzbetreiber 50 Hertz. Am häufigsten kamen chinesische Investoren in Deutschland und Großbritannien mit jeweils 22 Transaktionen zum Zug. Gemessen am Wert lag Deutschland wegen des Geely-Einstiegs mit fast zehn Milliarden Dollar vorn. Noch eifriger als Chinesen waren Firmen aus Großbritannien und der Schweiz in Deutschland auf Tour. Die meisten Käufer kamen mit 73 Transaktionen aus den USA - eine ganz neue Facette von America first.

© SZ vom 17.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: