Investmentfonds:Verdammtes Sparkonto

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Die Deutschen legen ihr Geld falsch an, heißt es oft pauschal. Aber ist das wirklich so? Die Jahreszahlen der deutschen Fondsbranche geben Aufschluss. Und zeigen deutlich: Investmentfonds sind nach wie vor sehr gefragt - vor allem eine Sorte.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Wann immer es darum geht, wie die Deutschen sparen, kommen Vorwürfe und Halbwahrheiten vor. Mindestens ihre Liebe zu Sparbüchern und Zinsprodukten wird ihnen stets nachgesagt. Es gebe keine Aktienkultur, heißt es milde, oder gar: Die Deutschen seien Aktienmuffel und beschäftigten sich nicht mit ihrem Geld. Tobias Pross drückte es am Dienstag so aus: "Der Deutsche investiert und spart falsch. Ende der Durchsage."

Pross ist Präsident des Verbands BVI, des politischen Arms der deutschen Fondsgesellschaften. Denen geht es gut: 2016 war für die Branche ein weiteres Rekordjahr. Sie verwaltet inzwischen mehr als 2,8 Billionen Euro Vermögen für Privatanleger, Pensionskassen oder Versicherungen und Stiftungen. Zum Vergleich: Deutschlands Wirtschaftsleistung lag im vergangenen Jahr bei 3,1 Billionen Euro. Innerhalb von zehn Jahren ist das verwaltete Fondsvermögen um 84 Prozent gestiegen. Während Spezialfonds für institutionelle Kunden das größte Wachstum verzeichneten, erreichten auch Publikumsfonds für Privatanleger mit 915 Milliarden Dollar einen neuen Rekord. Das sieht dann doch schon ganz okay für die deutschen Sparer aus.

Deren Investitionen in Fonds wuchsen aber nur um 6,5 Milliarden Euro netto, nach dem Elffachen im Vorjahr. Im Jahr der politischen Umbrüche hielten sich auch deutsche Anleger eher zurück. Die Unsicherheit, erwartet der BVI, wird auch im aktuellen Jahr das Sparverhalten bestimmen. Während aus Aktien- und Anleihenfonds Geld abgeflossen ist, haben defensiv ausgerichtete Produkte hinzugewonnen. Das waren beispielsweise die zuletzt viel beworbenen Mischfonds, die versprechen, bestimmte Risiken zu vermeiden. Auch offene Immobilienfonds sind weiter beliebt.

Und so wird sich auch 2017 nicht wesentlich etwas an den Verhältnissen ändern, die deutschen Anlegern vorgeworfen werden: mehr als zwei Billionen Euro auf Konten ohne Zinsen, zwei Billionen Euro in Versicherungsprodukten, nur 1,3 Billionen in Wertpapieren. Nicht einmal das Thema Negativzinsen bringe einen rational denkenden Menschen dazu, sich intensiver mit Kapitalanlage zu beschäftigen, beklagt Verbandspräsident Pross, schränkt aber ein: "Im europäischen Vergleich stehen wir gar nicht schlecht da."

Im europäischen Vergleich stehen deutsche Anleger gar nicht so schlecht da

Denn im europäischen Ausland besitzen die Bürger auch nicht mehr Aktien, sei es über Fonds oder als direkte Beteiligung. In Österreich sind neun Prozent der Bürger Aktionäre, in Frankreich nur sieben. In Deutschland sind es 14 Prozent. Dem BVI ist daran gelegen, diesen Anteil weiter zu erhöhen, etwa durch eine Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge. Langfristig brauche man eine kapitalmarktorientierte Altersvorsorge wie in den USA, fordert die Branche - und ein eigenes Schulfach "Finanzen und Wirtschaft", damit die Bürger besser mit ihrem Geld umgehen könnten. Das ist nicht ganz uneigennützig: Je mehr Bürger strukturiert sparen und vorsorgen, desto mehr Geld kann sich die Fondsbranche erhoffen.

© SZ vom 22.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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