Interview mit Josef Schlarmann:"Wir schauen nach dem Rechten, Manager nach dem Börsenkurs"

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Der Chef der Unions-Wirtschaftsvereinigung, Josef Schlarmann, über den Unterschied zwischen Unternehmern und Managern.

Claus Hulverscheidt

Neben Politikern von Linkspartei, SPD und vom Arbeitnehmerflügel der Union hat sich auch der Chef der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, in die Diskussion um die Gehälter von Top-Managern eingeschaltet - mit erstaunlich kritischem Ton. Schlarmann, 68, leitet selbst ein Unternehmen mit 110 Mitarbeitern.

SZ: Herr Schlarmann, warum beteiligt sich ausgerechnet der Wirtschaftsflügel der Union an der allgemeinen Managerschelte?

Josef Schlarmann: Mir geht es nicht um pauschale Kritik. Ich möchte auf Fehlentwicklungen bei der Honorierung von Managern hinweisen und zum anderen einmal ganz grundsätzlich die Frage aufwerfen, welches Bild von der Wirtschaft in diesem Land vorherrschend ist.

SZ: Welches Bild herrscht denn vor?

Schlarmann: Es wird alles in einen Topf geworfen. Es gibt die Wirtschaft aber ebenso wenig wie es den Wald gibt. Ein Wald ist eine Ansammlung verschiedenster Bäume, in der Wirtschaft gibt es zahllose Branchen, Unternehmens- und Eigentümerformen. Deshalb haben Gesamtbetrachtungen wenig Sinn - erst recht nicht, wenn diese Gesamtbetrachtung von einer ganz kleinen Gruppe innerhalb der Wirtschaft geprägt wird.

SZ: Sie meinen die Manager der großen Konzerne.

Schlarmann: Richtig. 99 Prozent aller Unternehmen in Deutschland werden vom Inhaber oder der Inhaberfamilie geführt. Beim kleinen Rest sind es angestellte Manager. Es gibt aber einen gravierenden Unterschied zwischen beiden Führungsformen: Der angestellte Manager ist sozusagen Unternehmer auf Zeit. Ihm geht es darum, während der Laufzeit seines Vertrags den Gewinn des Unternehmens und sein persönliches Einkommen möglichst zu maximieren. Ein Inhaberunternehmer ist dagegen Unternehmer auf Lebenszeit. Er kann gar nicht anders, als die Sicherung seines Betriebs in den Mittelpunkt seiner Arbeit zu stellen.

SZ: Was heißt das in der Praxis?

Schlarmann: Nehmen Sie zum Beispiel die Mitarbeiter: Für den gewinnorientierten Manager sind sie vor allem ein Kostenfaktor. Für den Inhaberunternehmer dagegen sind sie, vor allem wenn er als Dienstleister tätig ist, Kapital.

SZ: Aber auch ein Mittelständler will doch den Gewinn maximieren.

Schlarmann: Einverstanden. Aber bei ihm ist das kein Selbstzweck. Dem Inhaber eines Unternehmens geht es darum, seine eigene wirtschaftliche Basis, die seiner Mitarbeiter und vielleicht sogar die seiner Heimatstadt zu sichern - nicht zuletzt deshalb, weil er selbst im Ort wohnt. Der angestellte Top-Manager arbeitet heute in Frankfurt, morgen in München und übermorgen in London. Er wird am kurzfristigen Erfolg gemessen, was nicht unbedingt mit dem Wohle des Unternehmens gleichzusetzen ist.

SZ: Deshalb beklagen Sie, dass Manager auch mit Optionen bezahlt werden?

Schlarmann: Genau. Ein mittelständischer Unternehmer schaut morgens erst einmal in seinem Betrieb nach dem Rechten. Ein Manager schaut auf den Börsenkurs. Ist der gestiegen, hat er alles richtig gemacht, auch mit Blick auf sein Einkommen. Und wenn er zur Steigerung des Börsenkurses Mitarbeiter feuern muss, ist dies aus der Perspektive der Gewinnmaximierung logisch. Ein Mittelständler trennt sich häufig erst von Mitarbeitern, wenn die Existenz des Betriebs bedroht ist. Auch gegenüber den Kunden und seiner Kommune verspürt er eine viel größere persönliche Verantwortung.

SZ: Sollte also die Bezahlung mit Aktienoptionen verboten werden?

Schlarmann: Ja, und nicht nur das: Eigentlich dürften Manager von börsennotierten Gesellschaften auch keine Aktien des eigenen Unternehmens besitzen, weil ja Insiderhandel so geradezu provoziert wird. Welcher Manager hat schon die Größe, eigene Aktien nicht zu verkaufen, wenn er weiß, dass eine Negativnachricht zur Veröffentlichung ansteht.

SZ: Sie sagen, dass die Manager das Bild der Wirtschaft prägen. Wie wirkt sich das auf die Politik aus?

Schlarmann: Die Bundespolitik hat in erster Linie die großen Konzerne im Auge und nicht die übrigen 99 Prozent der Wirtschaft. Das kann man insbesondere an der Auswahl der Berater erkennen. Da sind doch kaum Mittelständler dabei.

SZ: Woran liegt das?

Schlarmann: Da müssen Sie die Politiker schon selbst fragen. Wenn sich Politiker bis rauf zum Regierungschef entscheiden müssen, ob sie mit einem mittelständischen Unternehmer oder mit einem Top-Manager von Bayer, Daimler & Co. zu Mittag essen, entscheiden sie sich immer für den Top-Manager.

SZ: Aber Frau Merkel ist doch sogar in der gleichen Partei wie Sie. Warum sprechen Sie nicht einfach miteinander?

Schlarmann: Ich spreche für den Mittelstand auf mehreren Ebenen mit den politisch Verantwortlichen. Natürlich gibt es auch Gespräche mit dem Bundeskanzleramt und Frau Merkel. Ganz generell würde ich mir allerdings wünschen, dass Mittelständler in den politischen Entscheidungsprozess stärker einbezogen werden. Hier hat die Große Koalition sicherlich Nachholbedarf.

© SZ vom 23.11.2007/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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