Interview mit Henri de Castries:"Wie bei Christian Dior"

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Der Chef des französischen Versicherungskonzerns Axa, über die Folgen des Klimawandels für die Versicherungsbranche, Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Indien - und das schleppende Deutschlandgeschäft.

Caspar Dohmen

Die Leser der französischen Wirtschaftszeitung La Tribune wählten Henri de Castries gerade zum Strategen des Jahres. Der Axa-Chef ist wieder auf Einkaufstour. Vor wenigen Tagen übernahm er die Versicherer der italienischen Bank Monte dei Paschi di Siena, zuvor die Schweizer Winterthur von der Crédit Suisse.

Gerade erst zum Strategen des Jahres gekürt: Henri de Castries ist auf Einkaufstour in Europa. (Foto: Foto: Reuters)

SZ: Herr de Castries, wie wirkt sich der Klimawandel auf das Versicherungsgeschäft aus?

De Castries: Ich bin kein Klimaexperte, aber es ist offensichtlich, dass die menschlichen Aktivitäten unsere Umwelt beeinflussen. Dies wirkt sich auf die Versicherer und ihre Kunden im Alltag und bei der Einschätzung der Risiken aus.

SZ: Wann könnte die Assekuranz Angebote streichen, weil die Risiken durch den Klimawandel zu groß werden?

De Castries: Schwer zu sagen. Noch können sie ein Haus in Florida an der Küste gegen Sturm versichern. Ich weiß nicht, ob das noch in zehn Jahren erschwinglich sein wird. In bestimmten Fällen wird es für die Unternehmen sicher unkalkulierbar, Versicherungsschutz zu bieten. In anderen Fällen könnte es für Verbraucher zu teuer werden.

SZ: Brauchen wir dann staatliche Pflichtversicherungen, beispielsweise für Überschwemmungsrisiken?

De Castries: Eine Pflichtversicherung ändert nichts an der Risikoentwicklung oder der Häufigkeit von Schadenereignisse. Ein Eingreifen des Staates macht es einzig möglich, die Risiken auf die Gemeinschaft zu verteilen. Staatseingriffe sollten daher eine Ausnahme bleiben. Wichtiger als die Absicherung gegen wirtschaftliche Schäden wäre aber ein Stopp des Klimawandels.

SZ: Was wäre dafür notwendig?

De Castries: Ein ganzes Bündel Maßnahmen im industriellen oder privaten Bereich. Hier kann jeder viele gute Dinge tun. Das gilt letztendlich auch für die Industrie, natürlich in einem viel größerem Rahmen. Die Ideen liegen auf dem Tisch, es mangelt oft nur an der Konsequenz.

SZ: Wenn Fliegen, Autofahren, Hausbauen teurer wird, haben die Menschen dann weniger Geld für Versicherungen?

De Castries: Die Sichtweise ist zu pessimistisch. Warum sollte im Umweltschutz die Produktivität nicht genauso steigen wie schon vorher bei Computern oder Handys. Diese sind heute besser und billiger. Am Anfang sind Entwicklungen immer teuer, später werden sie billiger. Deshalb bin ich für die Marktwirtschaft. Die kann langfristige Gleichgewichte besser herstellen als Regierungen.

SZ: Nutzen Sie den Einfluss, den Sie mit ihren hohen Kapitalanlagen für die Entwicklung einer ethischen und ökologischen Wirtschaft haben?

De Castries: Es gibt Bereiche, wo wir nicht investieren, weil wir meinen, es ist ethisch nicht in Ordnung. Wir investierten beispielsweise nach einer Diskussion mit der Menschenrechtsorganisation Amnesty international nicht mehr in Firmen, die Landminen herstellen. Wir investieren aber immer noch in Firmen wie EADS, die neben ihrem Schwerpunkt in der zivilen Luftfahrt, auch militärisches Material herstellen.

SZ: Die Axa hat den Schweizer Konkurrenten Winterthur und die Versicherungen der italienischen Bank Monte dei Paschi di Siena übernommen. Wie wichtig ist Größe im Versicherungsgeschäft?

De Castries: Größe ist kein Wert an sich. Sie spielt eine Rolle, weil man die Risiken besser diversifizieren und die Kosten senken kann.

SZ: Welche Größe braucht man dafür?

De Castries: Ich glaube, Spieler wie wir oder die Allianz haben die Größe erreicht. Für uns ist es wichtig, durch die Übernahme der Winterthur in Deutschland zu wachsen, der größten Volkswirtschaft Europas.

SZ: In der Vergangenheit haben Sie allerdings häufig die geringe Profitabilität des Deutschlandgeschäfts beklagt.

De Castries: Axa Deutschland hat sich deutlich beim Gewinn und Wachstum verbessert. Und Winterthur ermöglicht uns nun, neue Kunden zu gewinnen, beispielsweise mehr Beamte, wo die DBV traditionell gut verankert ist.

SZ: Sie haben in Deutschland vergangenes Jahr Neuland betreten, verkaufen Lebensversicherungen ohne die klassischen Garantien, die jedes Jahr gut geschrieben werden. Stattdessen garantieren sie den Werterhalt zum Ende des Vertrages. Wie läuft das Geschäft?

De Castries: Die Profitabilität unseres deutschen Lebensversicherungsgeschäfts hat sich vergangenes Jahr verdreifacht, weil wir mit dem Verkauf von diesen Produkten begonnen haben.

SZ: Gleichwohl wartet die Branche ab, kopiert das Produkt noch nicht.

De Castries: Sicher, aber lange haben unsere Konkurrenten gesagt, es funktioniert nicht. Jetzt sagen sie, wir schauen es uns mal an. Es dürfte wie bei Christian Dior sein, es gibt viele Leute die ihn kopieren, nicht alle sind erfolgreich.

SZ: Warum verlagern Sie Arbeitsplätze nach Indien, Marokko und Lettland?

De Castries: Wir können dadurch unsere Produkte billiger anbieten und neue Kunden gewinnen. Ich weis, wenn man von Auslagerung in Alteuropa spricht, löst dies viele Emotionen aus. Wenn wir es aber nicht tun, machen es eben andere und wir verlieren unseren Vorsprung. Wir entlassen in Frankreich keinen einzigen Mitarbeiter deswegen. Wir besetzen nur bestimmte Stellen nicht mehr, wenn Beschäftigte in den Ruhestand gehen.

SZ: Wie viele Jobs verlagern sie?

De Castries: Bislang beschäftigen wir 3000 Leute in Indien, jetzt diskutieren wir die Schaffung von 1500 Stellen in Marokko bis zum Jahr 2012, um die Entwicklung unserer französischen Filialen zu unterstützen.

SZ: Was bleibt in Europa?

De Castries: Sehr viel! Alle Mitarbeiter mit intensivem intensiven Kundenkontakten und hoher Wertschöpfung brauchen alle Unternehmen hier. Alle anderen Tätigkeiten kann man theoretisch verlagern. Das werden wir nie machen.

SZ: Man könnte die Axa-Zentrale von Paris ins indische Bombay verpflanzen?

De Castries: Ja sicher. Für ein globales Unternehmen gibt es keinen Grund, warum wir unsere Zentrale nicht irgendwo anders auf der Welt haben könnten, außer unseren Wurzeln in Frankreich. Auf die sind wir stolz und sehen keinen Grund etwas zu ändern.

SZ: Wie wichtig sind für Sie als Versicherer Investitionen in Hedge-Fonds oder Private Equity?

De Castries: Wir sind ein sehr großer Spieler bei Private Equity mit etwa elf Milliarden Euro, investieren eine Mischung aus Axa- und gesonderten Kundengelder. Bei Hedge-Fonds haben wir viel Erfahrung. Für uns ist dies ein alternatives Investment. Darauf entfallen allerdings weniger als fünf Prozent unserer Gesamtinvestitionen. Hedge-Fonds sind nicht alle schlecht und die Exzesse einiger Manager sollten niemanden an derem grundsätzlichen Nutzen zweifeln lassen. Sie bringen Geld in das Wirtschaftssystem und manchmal notwendige Veränderungen in Unternehmen.

SZ: Was sind die größten Risiken, die sie derzeit sehen für die Welt?

De Castries: Das sind politische Risiken, Sicherheitsrisiken. Die sind gefährlicher als die wirtschaftlichen Risiken. Ohne Risiken gäbe es keine Wachstumsmöglichkeiten. Das Versicherungsgeschäft basiert auf dem Umgang mit Risiken. Unser Job ist es, sie für unsere Kunden Risiken zu managen.

© SZ vom 03.04.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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