Interview mit Andreas Tilp:"Der Bund hält Akten zurück"

Lesezeit: 1 min

Die Kanzlei des Tübinger Rechtsanwalts Andreas Tilp vertritt den Musterkläger, der von der Deutschen Telekom 1,2 Millionen Euro Schadenersatz fordert.

Markus Zydra

SZ: Was erwarten Sie zum Start des Prozesses?

Andreas Tilp: Ich gehe davon aus, dass das Gericht schon am Montag seine vorläufige Rechtsauffassung in dem Fall deutlich macht. Das ist so üblich in Zivilprozessen. Außerdem wird es um formale Dinge gehen, etwa die Frage, welche Seite die Zeugen zuerst befragen darf.

SZ: Sie haben sich für einen Vergleich ausgesprochen - die Telekom winkt ab.

Tilp: Ich verstehe nicht, warum den deutschen Anlegern etwas vorenthalten wird, was die Telekom den US-Klägern 2005 mit einem Vergleich über 120 Millionen Dollar längst gewährt hat.

SZ: Ihr Mandant, dessen Fall nun Muster ist für alle anderen Kläger, fordert 1,2 Millionen Euro von der Telekom zurück - wann hat er gewonnen?

Tilp: Wenn bewiesen ist, dass der Börsenprospekt zur dritten Aktientranche aus dem Jahr 2000 in einem Punkt falsch war. Dann hat er Anspruch auf die Rückzahlung der Differenz zwischen dem Ausgabepreis von 63,50 Euro und seinem individuellen Verkaufserlös - er hat durch den Verkauf des Aktienpakets diesen Millionenverlust erlitten.

SZ: Der Prozess dauert schon seit 2001, ist ein Ende absehbar?

Tilp: Das weiß ich nicht, es hängt davon ab, wie die Richter vorgehen. Wenn sie relativ zügig einen Fehler im Prospekt feststellen, könnten sie einen Teilbeschluss fassen. Dann würde die Telekom wohl vor den Bundesgerichtshof ziehen - Dauer ein Jahr. Erhalten die Anleger dort auch Recht, geht dieses Urteil zurück in die 2700Einzelverfahren vor dem Landgericht Frankfurt, die dann abgearbeitet werden müssen.

SZ: Erhält dann jeder Kläger garantiert einen Schadensersatz?

Tilp: Jeder Einzelfall wird unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Urteile weiterverhandelt. Es kommt aber immer zu einer individuellen Beweisführung - Anleger können auch dann noch verlieren, aber es ist unwahrscheinlich.

SZ: Und wie lange kann das schlimmstenfalls dauern?

Tilp: Wenn das Oberlandesgericht zunächst alle 187 Streitpunkte abarbeitet, dann kann es sich zehn oder mehr Jahre hinziehen. Vor allem der Streit um die Immobilienbewertung lässt sich nur über zeitraubende Gutachten ausfechten.

SZ: Sie beschuldigen den Bund - der Beklagter im Prozess ist - Dokumente zurückzuhalten.

Tilp: Die vollständigen Ermittlungsakten wurden den US-Klägern zur Verfügung gestellt - uns wird der Einblick verwehrt, weil der Bund die mögliche Verletzung von Hoheitsrechten geltend macht. Das ist unlogisch, schließlich hatten die US-Kläger alle Dokumente zur Verfügung - die deutschen Kläger nun aber nicht.

© SZ vom 07.04.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: