Intelligente Laterne:Vollpfosten

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Leuchtendes Beispiel: Dieser Multifunktionale Ladelichtmast sammelt Daten, bietet Internet-Zugang und lädt E-Autos auf. (Foto: ENBW)

Wie Straßenlaternen Daten sammeln und zugleich auch noch Elektroautos mit Strom versorgen.

Von Elisabeth Dostert, Hannover

Laterne ist eigentlich nicht das richtige Wort. Oben, am Ende des Mastes vor dem Goran Radosavljevic in Halle 2 der Hannover-Messe steht, brennt immer noch Licht. Aber der Mast kann viel mehr. Er bietet ein öffentliches Wlan, ganz so, wie es viele Städte ihren Bürger bieten wollen. Das Ding sammelt auch Umweltdaten, Sensoren messen Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Luftdruck, Ozongehalt und Feinstaub. Der Mast dient als Notrufsäule und Ladestation für Elektroautos. Ein dickes grünes Kabel kringelt sich von der Säule bis zur Papp-Schablone eines Autos. Radosavljevic ist Verkaufschef von Smight. Der Name ist ein Kunstbegriff aus den Wörter smart, city, light. Das Start-up gehört EnBW und sitzt auf dem Innovationscampus in Karlsruhe. Straßenbeleuchtung gehört zum Geschäft des Energieversorgers aus Karlsruhe, er versorgt fast 300 Kommunen in Baden-Württemberg. Smight ist auf dem Innovationscampus von EnBW in Karlsruhe angesiedelt.

Gut 20 "multifunktionale Ladelichtmasten", so nennt Radosavljevic die Laterne, hat Smight seit Herbst verkauft. Am Marktplatz in Schönau steht so ein Ladelichtmast und vor der Niederlassung von Aston Martin in St. Gallen. Den Anbieter des Leuchtmittels, Hersteller wie Philips oder Osram, können die Kommunen frei wählen. "Wir wollen ja das Lichtbild der Stadt nicht verändern", sagt der Smight-Mann. Die Vollversion mit Ladestation koste 8500 Euro, die "Slim-Version" ohne Ladestation, die bald auf den Markt komme, etwa ein Drittel davon. Es müsse ja nicht überall die Vollversion stehen, sagt Radosavljevic.

Der Mast ist modular aufgebaut. "Die Gemeinden können selbst entscheiden, welches Feature sie wollen", sagt Radosavljevic. Smight ging Mitte 2014 an den Start und entwickelt die Laterne und ihre Komponenten. Die Produktion übernehmen andere. Masten und Endmontage erledigt der Mittelständler Michael Gassmann aus Graben-Neudorf. Die Namen anderer Partner will Radosavljevic nicht nennen - aus Furcht vor Konkurrenten. "Es gibt viele, die auf diesen Zug aufspringen wollen."

Es lockt ein riesiger Markt. In der Europäischen Union gibt es derzeit 60 bis 80 Millionen Straßenlaternen, sagt Joachim Lonien vom Deutschen Institut für Normung (DIN). Intelligente Stadtmöbel wie die Laterne seien nicht nur von kommunalem Interesse. Auch die EU-Kommission treibt im Rahmen der Europäischen Investitionspartnerschaft Smart Cities und Communities die Entwicklung intelligenter städtischer Technologien voran. "Allein durch den Austausch von einer Million alten Straßenlaternen durch moderne könnte die EU ihre für 2020 gesetzten Klimaziele erreichen", sagt Lonien. Gemeinsam mit Lutz Heuser, Technologie-Chef des Urban Software Institut in Walldorf, Firmen wie Smight, Stromversorgern und IT-Unternehmen will das DIN einen gemeinsamen Standard für die schlaue Laterne erarbeiteten. "Bis Ende April soll das Konsortium stehen", sagt Lonien. Die DIN Spec, das ist eine abgespeckte DIN-Norm, könnte dann bis Jahresende formuliert werden.

"Wir wollen den Standard für einen komplett neuen Markt setzen", sagt Lonien. "Wir wollen sicherstellen, dass Deutschland der Vorreiter für den Standard ist und damit die Basis für eine europäische Norm, die irgendwann sicher kommen wird."

Viele arbeiten daran, die Straßenlaterne intelligenter zu machen. Der Autokonzern BMW hat eine mit Ladestation vorgestellt. Ericsson und Philips wollen aus Straßenlaternen Mobilfunkmasten machen. Auch Cisco und Google machen sich Gedanken.

Das DIN und seine Partner haben lange heftig über einen deutschen Namen diskutiert. Am Ende sind sie dem englischen Begriff geblieben, den auch die EU-Kommission verwendet: humble lamppost. Lichtspendender Datensammelpfosten klingt ja auch alles andere als smart.

© SZ vom 27.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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