Infineon-Tochter in Schwierigkeiten:Qimonda droht das Ende

Bei der angeschlagen Infineon-Tochter Qimonda schwindet die Hoffnung auf ein Überleben: Betriebsräte warnen vor dem Untergang des Milliardenkonzerns.

Markus Balser

Das Meeting war geheim, die Botschaft der Emissäre brisant: Ende Oktober trafen sich nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hochrangige Qimonda-Betriebsräte und Manager zum Krisengespräch mit Sachsens Wirtschaftsminister Thomas Jurk.

Infineon-Tochter in Schwierigkeiten: Qimonda droht das Ende. Tausende Arbeitsplätze sind gefährdet.

Qimonda droht das Ende. Tausende Arbeitsplätze sind gefährdet.

(Foto: Foto: dpa)

Was Jurk zu hören bekam, dürfte die Landesregierung in Aufregung versetzen. Das gesamte Unternehmen mit 13.000 Mitarbeitern samt seinem wichtigsten Standort Dresden sei wegen der "prekären wirtschaftlichen Situation" in der Existenz gefährdet, warnten zutiefst beunruhigte Arbeitnehmervertreter. Solle die Qimonda-Technologie mitsamt den Arbeitsplätzen nicht aus Europa verschwinden, müsse die Politik handeln und bei der Suche nach einem Investor helfen - schnell.

Die Hilferufe aus der High-Tech-Schmiede könnten kaum dramatischer sein. Die Angst vor einem Untergang von Deutschlands Chipkonzern Nummer zwei wächst. In einem aktuellen Schreiben an die Mitarbeiter warnen Arbeitnehmerfunktionäre der Infineon-Tochter die Belegschaft unverblümt vor dem drohenden Aus: "Das Ausmaß der Probleme bedroht die Existenz des Unternehmens", heißt es in einem Rundbrief, der der SZ vorliegt. Ein Qimonda-Sprecher widersprach der Darstellung der Betriebsräte am Montag nicht und erklärte: "Die Situation ist sehr ernst, die Krise der Branche dramatisch."

Streit mit dem Management

Allein in den ersten neun Monaten dieses Geschäftsjahres war ein Verlust von 1,5 Milliarden Euro angefallen. Das Eigenkapital des Herstellers von Speicherchips, wie sie in Handys oder Computern eingesetzt werden, hatte sich halbiert. "Diese Entwicklung hat sich seit Juni nochmals beschleunigt", verlautet aus Konzernkreisen. Dabei seien inzwischen "so ziemlich alle denkbaren Mittel zur Generierung von Cash" ausgeschöpft. Es dürfte für Qimonda sehr schwer werden, Kredite zu bekommen, hieß es. Auch die Mutter Infineon lehnt eine Kapitalspritze weiter ab. Und die Geschäfte laufen nach wie vor schlecht. Die Preise für die Chips des Konzerns befänden sich weiter im freien Fall und noch immer sei kein rettender Investor in Sicht.

In der Münchner Konzernzentrale versucht das Management derweil verzweifelt, der drohenden Pleite zu entkommen. Doch intern tun sich tiefe Risse zwischen Management und Belegschaft auf.

Auch das neue Geschäftsmodell scheine nicht tragfähig, kritisierten vor wenigen Tagen hochrangige Betriebsräte und warfen dem Management Versagen vor: Qimonda präsentiere sich als "Trümmerwüste, in der es sehr wenige Lösungen zu sehen gibt". Das "ungeheure Ausmaß" der jüngsten Sparmaßnahmen lasse "die Pläne weniger als konzipierte Sanierung denn als Zeichen planloser Verzweiflung erscheinen". Qimonda hatte Mitte Oktober angekündigt, sein Geschäft zu halbieren und 3000 Stellen abzubauen - die Hälfte davon in Deutschland. Der Konzern habe das Produktportfolio abwechselnd ausgeweitet und zusammengestrichen, ein zweites Entwicklungszentrum in China eröffnet und gleich wieder geschlossen, neue Speicherchips zur Produktionsreife entwickelt und dann eingestellt. "Die Liste der Entscheidungen, die nicht zu begreifen sind, ist sehr lang", wettern Betriebsräte.

Sachsens Wirtschaftsministerium reagiert offenbar. Aus Regierungskreisen verlautet, man versuche im Rahmen der Möglichkeiten zu helfen. Der Exodus im Management geht derweil weiter. Nach Finanzchef Michael Majerus, der nur wenige Stunden nach Bekanntgabe des beispiellosen Notprogramms Mitte Oktober zurücktrat, verlässt inmitten der schwersten Konzernkrise nach SZ-Informationen nun auch Strategiechef Michael Alexander das Unternehmen zum Jahresende. Ein Qimonda-Sprecher bestätigte die Personalie. Alexander gebe seinen Posten aus "persönlichen Gründen" auf, teilte der Konzern mit.

Börsenkurs im Keller

Das Verhalten der Konzernmutter Infineon, die noch 77,5 Prozent der Anteile an Qimonda hält, weitere Hilfsaktionen aber abgelehnt hat, zieht den Zorn der bedrohten Qimonda-Belegschaft auf sich. "Die Art und Weise, in der hier mit der Qimonda AG und deren Mitarbeitern umgegangen wird, die bis Mai 2006 sogar noch Teil der Infineon AG selbst waren, erfüllt uns mit Abscheu. Wir erwarten die Übernahme von Verantwortung für den Fortbestand des Unternehmens."

Infineon verhandelt seit Monaten über den Verkauf seines Anteils an der defizitären Tochter, die in Deutschland fast 5000 Mitarbeiter beschäftigt. Europas zweitgrößter Chipkonzern teilte Mitte Oktober mit, die Gespräche dauerten an, ihr Ausgang sei aber ungewiss. Nachdem der Konkurrent Elpida abgewinkt hat, waren nach Angaben aus Branchenkreisen auch die Gespräche mit dem Chipkonzern Micron ins Stocken geraten. Denn die Konkurrenten haben selbst zu kämpfen. So will Micron in den nächsten beiden Jahren 15 Prozent der Belegschaft abbauen.

Die Börse hat den Chiphersteller aus Deutschland bereits abgeschrieben: Das Papier, das vor einem Jahr noch bei neun Dollar notierte, war am Montag an der New Yorker Börse noch 18 Cent wert. Gestartet war der Konzern beim Börsengang im Sommer 2006 noch mit einem Kurs von 14 Dollar.

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