Indexfonds:Reingehen und drinbleiben

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Fonds, die einen Markt eins zu eins abbilden, werden immer beliebter. Investoren benötigen bei diesen Geldanlagen, die auch als ETF bezeichnet werden, Geduld.

Von Harald Freiberger, München

Der Münchner Vermögensverwalter Georg von Wallwitz stellt einen interessanten Vergleich an: So wie in den 1870er-Jahren das Aufkommen der Fotografie die Malerei bedrohte, so bedrohen heute passive Indexfonds aktiv gemanagte Fonds. Kein Landschaftsmaler, kein Porträtist kann die Wirklichkeit so genau abbilden wie ein Fotograf; viele Maler verloren damals ihren Job. Bei der Geldanlage ist es ähnlich, seit vor gut zehn Jahren in Europa Indexfonds aufkamen, die auch ETF genannt werden. Sie bilden einen Aktienindex wie den Dax oder den Euro Stoxx 50 exakt nach, es gibt sie auch für Anleihen- oder Rohstoffindizes.

Indexfonds sind die größte Erfolgsgeschichte in der Welt der Anlage in den vergangenen Jahrzehnten - und sie sind eine Bedrohung für herkömmliche Fondsmanager, die versuchen, den Vergleichsindex zu schlagen und dies allzu selten schaffen. "Die meisten Fondsmanager haben es wie die überflüssigen Landschaftsmaler gehalten und eine schlechte und ideenlose Abbildung der Märkte als große Kunst verkauft", sagt Wallwitz. Es sei kein Wunder, dass ihnen die passiven Produkte das Wasser abgraben.

Vor allem ein Argument spricht für Indexfonds: der Preis

In diesen Tagen nun kamen Zahlen für das erste Halbjahr 2015 heraus, die den Aufwärtstrend fortschreiben. Inzwischen sind europaweit 429 Milliarden Euro in ETF angelegt - 67 Milliarden mehr als Ende 2014 (Grafik). Zwei Drittel davon flossen den Indexfonds neu zu, ein Drittel geht auf gestiegene Kurse zurück. Noch sind das zwar nur vier Prozent des gesamten angelegten Geldes in Europa. Doch viele Fachleute gehen davon aus, dass sich der Siegeszug der Indexfonds noch verstärken wird, so wie es in den USA schon geschehen ist. "Wir stehen noch am Anfang, der ETF-Trend in Europa hat erst begonnen", sagt Simon Klein von Deutsche AWM, der Vermögensverwaltung der Deutschen Bank. Michael Winter, ETF-Spezialist der Fonds-Ratingagentur Feri Trust, erwartet bald einen zweistelligen Marktanteil, in zehn Jahren könnten es sogar 30 bis 50 Prozent sein.

Mensch gegen Maschine: Passive Indexfonds wetteifern mit aktiv gemanagten Fonds. Hier ein Blick in den Handelssaal der Commerzbank in Frankfurt. (Foto: Hannelore Förster/Imago)

Für Indexfonds spricht vor allem ein Argument: der Preis. Ein Dax-ETF kauft die 30 Aktien so, wie sie in dem Index gewichtet sind. Das läuft automatisch über Computer, es braucht dafür keinen Fondsmanager, dessen Gehalt bezahlt werden muss. Die günstigsten Aktien-ETF verlangen deshalb eine Verwaltungsgebühr von gerade einmal 0,05 Prozent im Jahr, mehr als 0,5 Prozent werden kaum fällig - während aktiv gemanagte Fonds oft 1,0 bis 1,5 Prozent kosten. Hinzu kommt ein Ausgabeaufschlag von bis zu vier Prozent beim Kauf, der bei ETF in der Regel entfällt.

Das andere Argument für Indexfonds ist das häufig schlechte Abschneiden aktiv gemanagter Fonds bei der Rendite. Gerade bei breiten Aktienmärkten wie dem MSCI World schneiden ETF im Durchschnitt deutlich besser ab als aktive Fondsvarianten, ergab eine Untersuchung der Fonds-Ratingagentur Morningstar. "Dieser Befund dürfte aus Sicht der aktiven Fondsmanager ein sehr bedenkliches Ergebnis sein", sagt Morningstar-Experte Ali Masarwah. Besser sieht die Bilanz für Fondsmanager dagegen bei Unternehmensanleihen oder Schwellenländer-Aktien aus, die die Vergleichs-Indizes häufiger schlagen.

Je breiter und liquider ein Markt, umso eher schlägt das Pendel zugunsten von Indexfonds aus. Es gibt sogar Experten, die behaupten, auf Dauer lasse sich ein Index gar nicht überwinden. Die Diskussion darüber ist leidenschaftlich und noch offen. Tatsache aber ist, dass sich immer mehr Investoren von den Vorteilen der Indexfonds überzeugen lassen. Das zeigt auch die Vielfalt der Produkte. Seit 2003 hat sich ihre Zahl in Europa von 100 auf 1450 erhöht. Es gibt kaum eine Region und keine Anlageklasse mehr, die sich nicht über Indexfonds kaufen lässt. Ein relativ neuer Trend sind Dach-ETF, also Fonds, die sich aus mehreren einzelnen ETF zusammensetzen. Anleger können damit ihr Risiko individuell steuern und streuen. Auch Profi-Investoren wie Versicherungen und Pensionsfonds nutzen zunehmend Indexfonds als Basis-Investment.

SZ-Grafik: Lisa-Marie Prankl; Quelle: Deutsche Bank (Foto: SZ-Grafik)

Morningstar-Experte Masarwah hält die passiven Produkte auch für Privatanleger ideal. "Sie sind ein wunderbares Instrument für langfristig orientierte Anleger", sagt er. Das Problem sei aber, dass Banken sie von sich aus ungern anbieten, weil sie ihnen weniger Provision einbringen als aktiv gemanagte Fonds. Anleger sollten deshalb "ihren Bankberater löchern und auf ETF ansprechen".

"Die Produkte haben viel für die Demokratisierung der Geldanlage getan."

Bei welchem Anbieter man kauft, spielt dagegen keine so große Rolle. Die Kosten unterscheiden sich nur minimal. Größter Anbieter in Europa ist iShares, ETF-Tochter der Fondsgesellschaft Blackrock, mit knapp 50 Prozent Marktanteil, es folgen db x-Trackers (Deutsche Bank) und Lyxor (Société Générale) mit je gut zehn Prozent.

Auch Andreas Beck vom Institut für Vermögensaufbau in München sieht in ETF einen Fortschritt. Besonders positiv findet er, dass "die Produkte viel für die Demokratisierung der Geldanlage getan haben". Herkömmliche Fonds seien nämlich originär nicht für den Kunden entwickelt, sondern für Vertriebsorganisationen wie die Banken, die am liebsten das verkaufen, was am meisten Provision bringt - ohne zuerst auf die Qualität zu achten.

Trotzdem sieht Beck in den Indexfonds aber auch eine Gefahr: "Sie verstärken die größten Fehler, die Privatanleger machen", sagt er. "Statt langfristig zu investieren, gehen sie zu schnell und zum falschen Zeitpunkt in Aktien hinein und heraus." Dadurch brächten sie sich um Rendite. ETF verstärkten diesen Trend, weil sie günstig sind und zum häufigen Handeln verleiten. Der Anlageerfolg der Deutschen sei deshalb trotz des Aufkommens der Indexfonds in den vergangenen Jahren nicht besser geworden. "Entscheidend ist es, langfristig in Aktien investiert zu bleiben und sich nicht von Kurssprüngen irritieren zu lassen", sagt Beck.

Das sieht auch Vermögensverwalter Wallwitz so: "Das schlechte Abschneiden der Privatinvestoren lässt sich nur zu einem geringen Teil auf die Fonds schieben, in die sie investieren." Viel mehr Rendite gehe durch falsches Timing und andere Fehler verloren. Im Übrigen weist er darauf hin, dass die Malerei trotz des Aufkommens der Fotografie bis heute überlebt habe. Verschwunden seien nur billige Landschaftsmaler, die die Wirklichkeit eins zu eins kopierten. Analog hätten auch aktive und kreative Fondsmanager mit einem eigenen Blick auf die Realität eine Zukunft.

© SZ vom 16.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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