In den Städten:Also doch schlechte Luft

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Sind fehlerhafte Messungen schuld an den zu hohen Stickoxid-Werten? Mancher hält das für möglich, die Umweltbehörden nicht. Nur an einer Stelle in Berlin könnte der Ort der Messstation eine Rolle spielen. Ein Fahrverbot rückt näher.

Von Michael Bauchmüller und Markus Balser, Berlin

Zumindest in Thüringen muss etwas geschehen, ein Gärtner muss ran. Nur an einer Messstelle, so meldet das Umweltministerium in Erfurt, seien "gärtnerische Tätigkeiten vonnöten". Es gehe darum, die Luft an der Station ungestört zirkulieren zu lassen. Der Rest: tipptopp.

So sieht es, glaubt man einer internen Umfrage unter den Umweltbehörden der Länder, überall aus. Die Ergebnisse liegen der Süddeutschen Zeitung vor. Die Vorgaben für die Messung der Luft sind streng. Nicht weiter als zehn Meter vom Fahrbahnrand sollen die Stationen stehen, aber auch nicht näher als 25 Meter an einer viel befahrenen Kreuzung. Die Behörden müssen Bäume und selbst Balkone beachten, die Einfluss auf die Messung nehmen könnten, und selbst die Höhe der Messöffnung ist vorgeschrieben. Hier wird die Luft angesaugt, die anschließend gemessen wird.

Das Thema ist heikel, denn viele der Stationen messen Werte, die sie eigentlich nicht messen dürfen: In bundesweit 66 Städten ist mehr Stickoxid in der Luft, als die EU seit 2010 vorschreibt. Genau deshalb machte das Bundesverwaltungsgericht Ende Februar den Weg für Fahrverbote frei, genau deshalb hat die EU-Kommission nun Klage gegen Deutschland und andere Staaten eingereicht - es drohen Strafen in Millionenhöhe.

Genau deshalb auch beschlich die Verkehrsminister der Länder im vorigen Monat ein fieser Verdacht: Deutschland könnte auch deshalb am Pranger stehen, weil hierzulande übergründlich gemessen wird - mit Messstationen, die zu nah am Schadstoff stehen. "Aus Sicht der Verkehrsministerkonferenz wäre in keinem Fall angängig", beschlossen die Minister im April, "dass Deutschland Strafzahlungen aus Steuermitteln leistet, die möglicherweise zum Teil durch Abweichungen von europäischen Messvorschriften begründet sind." Man begrüße den entsprechenden Vorstoß des Bundesverkehrsministeriums, die "Validität von Standorten von Messstellen" gemäß EU-Vorgaben zu überprüfen.

Diese Vorgaben sind in Deutschland durch die "Verordnung über Luftqualitätsstandards" umgesetzt, Experten besser bekannt als die 39. BImSchV (Bundesimmissionsschutz-Verordnung, sprich: Bimmschvau). Wie es scheint, wird sie von den Umweltbehörden peinlich genau überwacht. "Das behördliche Handeln erfolgt unter konsequenter Umsetzung der rechtlichen Vorgaben", heißt es etwa aus dem Umweltministerium in Brandenburg. "Soweit in den erwähnten Diskussionen und sich daraus ggf. ergebenden Forderungen und Beschlüssen ein unsachgemäßes Handeln durch die zuständigen Immissionsschutzbehörden unterstellt wird, ist dies (...) strikt zurückzuweisen."

Der Autolobbyverband VDA spricht sich erneut gegen flächendeckende Fahrverbote aus

Auch Bayern, Heimat des skeptischen Bundesverkehrsministers, sieht keinen Anlass für Zweifel. Basis für die Aufstellung von Messstationen sei ganz allein die 39. BImSchV., heißt es in der zuständigen Behörde. "Im Rahmen des Spielraums der dort aufgelisteten Kriterien wird dies bundesweit einheitlich gehandhabt." Andere berichten von "wöchentlich stattfindenden Messnetzbesprechungen", um korrekte Messungen zu garantieren. Niedersachsen listet eine ganze Reihe zweifelnder Anfragen von Stadträten, Wirtschaftsverbänden und Abgeordneten. Allerdings habe keine davon dazu geführt, "dass Veränderungen (...) notwendig wurden". Einzig in Berlin könnte der Ort eines Messcontainers eine Rolle spielen. In der Silbersteinstraße werde statt 25 nur 21 Meter von einer Kreuzung entfernt gemessen, räumt der Senat ein. Dies schätze man als "noch akzeptabel" ein. Allerdings ist es in Berlin auch die Station mit den höchsten Werten. Derweil wächst der Druck auf die Städte, mit Fahrverboten gegen schlechte Luft vorzugehen. Das Leipziger Bundesverwaltungsgericht verschickte kurz vor dem Wochenende seine schriftlichen Begründungen für sein Urteil von Ende Februar, das Fahrverbote ermöglichte. Die Richter machen in den 30-seitigen Schriftsätzen klar, dass die Zeit drängt. Europäische Richtlinien verlangten, den Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte so kurz wie möglich zu halten. Für Fahrverbote auf einzelnen Strecken bedürfe es keiner Übergangsfristen. Damit könnten Städte beschränkte Fahrverbote sofort verhängen.

Bei großflächigen Fahrverboten, die ganze Viertel oder sogar Städte betreffen, fordern die Richter allerdings, zwischen Gesundheitsrisiko und wirtschaftlichem Schaden für die Bürger abzuwägen. Halter dürften ihr Fahrzeug in Verbotszonen nicht mal mehr abstellen und wären nach Einschätzung der Richter gezwungen, "das betroffene Auto zu verkaufen". Der Autolobbyverband VDA sprach sich am Wochenende erneut gegen flächendeckende Fahrverbote aus. Die Messwerte würden sich in den nächsten Jahren deutlich verbessern.

© SZ vom 22.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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