Im Profil:Gordon Brown

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Ein Kronprinz, der sich viel zutraut und alles besser weiß.

Gerd Zitzelsberger

(SZ vom 10.06.03) - Es ist der Höhepunkt in der bisherigen Karriere von Gordon Brown: Nicht Britanniens Premier Tony Blair, sondern er, der Schatzkanzler Ihrer Majestät, hat am Montag die wichtigste Entscheidung seit der Wiederwahl der Labour-Regierung gefällt und verkündet.

Gordon Brown mit rotem Koffer. Darin befindet sich der Haushalt für das Vereinigte Königreich. (Foto: dpa)

Und sollte er eines Tages Blair als Regierungschef nachfolgen, wird er wohl schon Wege finden, dass dann der Premier und nicht mehr der Finanzminister über den Euro-Beitritt entscheidet.

"Du musst Dir Blair als eine Art Präsident vorstellen; das wirkliche Entscheidungszentrum liegt im Haus nebenan", sagt ein Beamter des Finanzministeriums, und "nebenan" - das ist Downing Street Nr.11, Wohnung und Amtssitz des Schatzkanzlers, wie der Finanzminister offiziell heißt.

Gleichberechtigt neben dem Premier

Der Mann übertreibt natürlich ein bisschen. Doch ein Fax aus alter Zeit, das Londoner Zeitungen jetzt zugespielt wurde, enthüllt, dass Brown nicht zweiter Mann hinter Blair ist, sondern im Innenverhältnis gleichberechtigt neben dem Premier steht: 1994 vereinbarten die beiden, dass Brown die Kandidatur von Blair als Spitzenmann unterstützt, aber bei einer späteren Regierungsübernahme das Sagen in der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik haben werde.

Großbritannien ist mit Brown als heimlichem Co-Regierungschef gut gefahren. Er hat die Staatsfinanzen konsolidiert, ohne dass die Bevölkerung murrte. Er hat die Lage der untersten Einkommensschichten verbessert. Und er hat das Land davor bewahrt, so tief wie Deutschland in das Konjunkturtal abzurutschen. Die Beschäftigung liegt so hoch wie kaum je zuvor seit dem Weltkrieg, und gleichzeitig erleben die Briten Preisstabilität wie seit Generationen nicht mehr.

Die Herzen der Briten schlagen dennoch mehr für Blair als für Brown. Vom Premier erschien am Wochenende ein Bild, auf dem ihn seine halbwüchsige Tochter knuddelt. Von Brown dagegen haben die Leute das Bild mit den tief abgekauten Fingernägeln im Kopf.

Beinahe die Partnersuche vergessen

Und wenn er mit seiner Frau auftritt, dann liegt immer etwas zuviel Luft zwischen den beiden; ohnedies schien er die Partnersuche über der Politik beinahe vergessen zu haben: Erst vor zweieinhalb Jahren heiratete der 52-Jährige. Im Oktober erwarten die Browns ihr erstes Kind.

Prägend war das Elternhaus, der Vater ein calvinistischer Pastor in Schottland. "Brown ist ein Politiker in Vollendung", urteilt der Labour- nahestehende Guardian.

Jeder hat Respekt vor seiner Arbeitswut, seinem Intellekt, seinem strategischen und taktischen Geschick. Doch er scheint nichts anderes als Politik zu kennen und weiß sich stets im Besitz der richtigen Meinung.

Rekord

In drei Monaten wird Brown einen Rekord brechen: Er ist dann Britanniens Finanzminister mit der längsten Amtszeit seit dem Krieg. Wenn es schlecht für ihn läuft, wird er auch noch der mit der längsten Amtszeit in diesem Jahrhundert sein.

"Erfolgreich ist ein Finanzminister nur, wenn er rechtzeitig das Amt verlässt", hat Brown kürzlich gesagt. Doch der Wechsel nach nebenan ist gar nicht so einfach, und erstmals scheint sich der Stratege verkalkuliert zu haben: Tony Blair zeigt sich keineswegs amtsmüde.

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