Illegale Beschäftigung:Jeder Dritte lässt schwarzarbeiten

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Dem Finanzamt entgehen einer Studie zufolge Einnahmen von bis zu 28 Milliarden Euro. Etwa drei Millionen Haushalte haben eine illegale Putz- oder Betreuungshilfe und riskieren hohe Bußgelder.

Von Simone Boehringer, München

,,Ich selbst nicht, aber von Freunden weiß ich das." So oder ähnlich antworten Befragte gerne, wenn es um Schwarzarbeit geht. Nur jeder Zweite gibt von sich selbst offen zu, schon einmal am Finanzamt vorbei Geld für Arbeit eingestrichen zu haben. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hat nun die bisherigen Erkenntnisse zum Thema aufbereitet und hochgerechnet. Das erschreckende Ergebnis: ,,Jeder Dritte in Deutschland hat Schwarzarbeit nachgefragt und jeder Fünfte schwarz gearbeitet", fasst IW-Forscher Dominik Enste zusammen.

Neben Arbeiten am Bau und bei Autoreparaturen machen Dienstleistungen rund um den Haushalt den größten Anteil aus. Und nirgends ist die Diskrepanz zwischen denen, die angeben, eine bezahlte Putz- oder Betreuungshilfe zu beschäftigen und denen, die eine solche Kraft angemeldet haben, so eklatant: So jobbte im Jahr 2015 nach Angaben des IW in 3,6 Millionen Haushalten eine Putzkraft, die oft bei mehreren Arbeitgebern tätig war, manchmal einkaufte oder auch Kinder oder Senioren der Familie mitbetreute. Etwa 300 000 Haushalte hatten ihre Hilfe auf 450-Euro-Basis als Minijobber angemeldet, 47 000 Haushalte leisteten sich eine versicherungspflichtig beschäftigte Person.

Doppelmoral: Viele Bürger sind gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Der eigenen Haushaltshilfe zahlen aber nur wenige für den Ausfall bei Krankheit oder gestehen Urlaubsgeld zu. (Foto: Ralf Hirschberger/dpa)

"Wir erleben häufig eine Art Doppelmoral", sagt IW-Experte Enste. "Die Bürger kritisieren Politiker, zu wenig zu tun oder die Unternehmen, prekäre Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen, aber finden es im eigenen Haushalt völlig selbstverständlich, der Haushaltshilfe keinen bezahlten Urlaub oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu gewähren."

Das Risiko, erwischt zu werden, ist hier auch deutlich geringer als etwa bei illegaler Beschäftigung im Baugewerbe oder anderen wichtigen Industrien. Die mit 6700 Fahndern ausgestattete Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Bundeszoll bekämpft illegale Beschäftigung vor allem dort, wo sie in Summe den größten volkswirtschaftlichen Schaden anrichten kann, und das ist dort, wo legal arbeitenden Unternehmen Aufträge entgehen, weil sie Schwarzarbeiter als Konkurrenz haben.

Gleichwohl müssen auch bei der Anzeige illegaler Haushaltshilfen sowohl der Arbeitgeber als auch die Haushaltshilfe mit einer Geldbuße rechnen. Anfangs liegen die Strafen meist bei jeweils unter 100 Euro. ,,Je häufiger jemand illegal anzutreffen ist und je länger dann ein illegales Beschäftigungsverhältnis nachgewiesen werden kann, desto höher steigen die Bußgelder, bis auf 50 000 Euro", sagt ein Sprecher der Generalzolldirektion in Bonn. Im Extremfall seien auch Haftstrafen möglich, diese kommen jedoch im Bereich der vielseitig eingesetzten Haushaltshilfen sehr selten zur Anwendung. Die Politik akzeptiere und lebe in dem Bereich mit der Schwarzarbeit, heißt es beim IW. "Politiker wissen, dass etwa Pflege in Einklang mit Arbeitszeitgesetzen von kaum jemandem zu bezahlen ist."

Die Gründe für die Nichtanmeldung der Putz- oder Haushaltskraft liegen nach den Erkenntnissen von Forscher Enste längst nicht immer bei den Arbeitgebern. "Das Hauptproblem ist häufig, dass die Haushaltshilfen aus diversen Gründen gar nicht angemeldet werden wollen." Der Erfahrung nach hätten manche mehr als einen Nebenjob. Wenn diese Jobs in Summe mehr als 450 Euro bringen, wären diese Hilfskräfte gar nicht mehr als geringfügig einzustufen ( Kasten). Auf die mit einem angemeldeten Job verbundene Krankenversicherung verzichten viele gleichfalls gerne, wenn sie mit ihrem berufstätigen Ehepartner ohnehin mitversichert sind. Wieder anderen fehle unter Umständen eine gültige Aufenthaltserlaubnis.

Bei erfolgreicher Bekämpfung der Schwarzarbeit insgesamt könnten Schätzungen zufolge bis zu rund eine Million reguläre Vollzeitstellen geschaffen werden. Pro Arbeitsplatz gingen dem Staat laut der Untersuchung im Schnitt etwa 8000 Euro Steuern und 18 000 Euro für Sozialversicherungen verloren. "Der gesamte fiskalische Schaden beträgt somit zwischen 10,9 Milliarden Euro und 28,6 Milliarden Euro", heißt es in dem IW-Bericht.

© SZ vom 31.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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