IG Metall-Vize Berthold Huber:"Wir sind streikfähig"

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Die IG Metall beschließt an diesem Donnerstag endgültig ihre Tarifforderung von vier Prozent für 2004. Vize-Chef Berthold Huber warnt vor einer Tarifrunde der verbrannten Erde.

Interview: Jonas Viering

(SZ vom 27.11.03)

SZ: Zum ersten Mal führen Sie als oberster Tarifpolitiker der IG Metall eine Lohnrunde - doch die dürfte Ihnen wenig Freude mache, schließlich hat Ihre Gewerkschaft gerade im Osten eine Streikniederlage erlitten. Sind Sie jetzt von vornherein in der Defensive?

Huber: Natürlich steckt dieser Konflikt uns noch in den Knochen. Aber niemand sollte darauf spekulieren, wir seien nicht mehr handlungsfähig. Das könnte die Verhandlungen böse belasten.

SZ: Aber in der Öffentlichkeit würden Sie doch als blindwütige Radautruppe dastehen, wenn Sie jetzt schon wieder in einen Arbeitskampf zögen?

Huber: Wir sind streikfähig, da sollte sich besser niemand vertun. Eine Gewerkschaft, die Streik ausschließt, ist am Verhandlungstisch nichts wert. Eine Gewerkschaft, die von vornherein auf Streik setzt, ist allerdings genauso wenig wert. Das tut aber bei uns niemand. Die Wirtschaftlage ist auch nicht gerade günstig für eine solche Zuspitzung.

SZ: Nutzen die Arbeitgeber die Schwächung der IG Metall jetzt aus?

Huber: Bei den Arbeitgebern gibt es welche, die Brandreden halten. Mein Gegenüber bei den Verhandlungen gehört erfreulicherweise nicht dazu. Er sieht nicht nur das Trennende, sondern sucht das Gemeinsame. Weder er noch ich wollen verbrannte Erde hinterlassen.

SZ: Aber er fordert, dass in den Betrieben über eine Ausweitung der Arbeitszeit auf 40 Stunden entschieden werden soll.

Huber: Ich werde dem Präsidenten von Gesamtmetall nicht vorwerfen, dass er Arbeitgeberpositionen vertritt. Ich werfe ihm aber sehr wohl vor, dass er so tut, als sähe er die Wirklichkeit in den Betrieben nicht.

SZ: Inwiefern?

Huber: Eine Ausweitung der Arbeitszeit ist schon heute möglich - gegen bezahlte Mehrarbeit oder über Arbeitszeitkonten. Zu sagen, die Betriebsräte sollen das allein entscheiden, ist scheinheilig. Die Betriebsräte wollen diese Zwangsbeglückung gar nicht. Das ist für uns der erste Streitpunkt. Und der zweite: Unbezahlte Mehrarbeit bedeutet Lohnsenkung. Da machen wir nicht mit.

SZ: Sie haben also keine eigene Idee, wie die Tarife der Ausdifferenzierung der Metallbranche angepasst werden könnten? Ihre Lieblingsfeinde von der Christlichen Gewerkschaft Metall fordern fast so viel Geld wie die IG Metall, aber ein Drittel davon soll erfolgsabhängig im Betrieb ausgeschüttet werden. Ein gewisser Huber wollte so etwas früher auch mal.

Huber: Wir haben auf dem Gewerkschaftstag vor wenigen Wochen die Entscheidung über solche zweistufigen Tarifverträge zurückgestellt, und dabei bleibt es in dieser Tarifrunde auch. Wir diskutieren diese Frage in der IG Metall weiter. Ansonsten: Schon heute lassen unsere Tarife jede Menge Differenzierung zu. Bei Arbeitszeitkonten sind wir gerne noch flexibler, aber da zieren sich die Arbeitgeber. Mit der einheitlichen Bewertung von Arbeitern und Angestellten, kurz ERA, werden wir in dieser Tarifrunde einen weiteren historischen Schritt zu mehr Differenzierung bei den Tarifen machen: nach Qualifikation und Tätigkeit.

SZ: Also wollen Sie nur über Geld reden. Auch hier gibt es aber Huber I und Huber II. Der eine sprach sich früher dagegen aus, eine Umverteilungskomponente zu fordern. Der andere beziffert jetzt den verteilungsneutralen Spielraum mit 3,5 Prozent und fordert dennoch 4 Prozent. Wie passt denn das zusammen?

Huber: Ich habe mich grundsätzlich nie gegen eine Umverteilungskomponente ausgesprochen - es gab aber Jahre, in denen es nichts umzuverteilen gab. Die Arbeitgeber sollten nicht so viel klagen. Die deutsche Metall- und Elektroindustrie ist doch auf vielen Gebieten Export-Weltmeister. Ihr öffentlich angedeutetes Angebot von 1,4 Prozent ist doch nicht ernst zu nehmen.

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