Ifo-Chef Sinn:Managerkritik mit Antisemitismus verglichen

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Ifo-Präsident Sinn nimmt die derzeit oft zu Sündenböcken abgestempelten Manager in Schutz - und zieht Parallelen zum Antisemitismus in den 30er Jahren.

Wer trägt die Schuld an der globalen Finanzkrise? "Die Manager", heißt es vielerorts. Doch die vermeintlichen Krisen-Verursacher erhalten nun Rückendeckung von keinem Geringeren als Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. Er hat die Wirtschaftsführer in Schutz genommen und die Kritik an ihnen mit dem Antisemitismus der dreißiger Jahre verglichen. "In jeder Krise wird nach Schuldigen gesucht, nach Sündenböcken", sagte Sinn dem Tagesspiegel laut Vorabbericht.

Ifo-Präsident Sinn: "Die Rattenfänger stehen wieder parat". (Foto: Foto: AP)

"Auch in der Weltwirtschaftskrise von 1929 wollte niemand an einen anonymen Systemfehler glauben. Damals hat es in Deutschland die Juden getroffen, heute sind es die Manager", sagte Sinn in dem Interview, das er nach Angaben des Blattes autorisiert hat.

Zentralrat pocht auf Entschuldigung

Der Zentralrat der Juden reagierte empört und forderte Sinn auf, seinen Vergleich "so schnell wie möglich, ohne Wenn und Aber, zurückzunehmen und sich zu entschuldigen". Dieser Vergleich sei "empörend, absurd und absolut deplaziert, eine Beleidigung der Opfer", sagte der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer, der Neuen Ruhr Zeitung. In Kenntnis dessen, was wenige Jahre später mit den Juden passierte, sei es hanebüchen, heutige Wirtschaftsführer mit Juden zu vergleichen. "Mir wäre neu, dass Manager geschlagen, ermordet oder ins Konzentrationslager gesperrt würden", sagte Kramer der Zeitung.

Sinns Einlassung folge einer seit langem zu beobachtenden Masche: "Wer sich unter Druck gesetzt fühlt, wählt Vergleiche mit den Juden, um sich unter die Opfer einreihen zu können." Das sei in diesem Fall besonders abwegig.

Rettungspaket des Bundes ohne Alternative

Falsche Anreize und fehlende Regeln seien die Ursache der Krise, erläuterte Sinn. Große Krisen könne man heute vermeiden. So werde es dank der milliardenschweren Rettungspakete, mit denen Industriestaaten ihre Banken stützten, keine größeren Bankenpleiten mehr geben.

Das 500-Milliarden-Euro-Rettungspaket der Bundesregierung sei alternativlos, fuhr Sinn fort. "Hätte man nichts getan, wie 1929, wären die Folgen dramatisch gewesen: eine Kernschmelze im Finanzsystem, Massenarbeitslosigkeit, die Radikalisierung der westlichen Welt, am Ende eine Systemkrise der Marktwirtschaft."

Nur kein Konjunkturprogramm auflegen

Die deutsche Geschichte sei hier klar, fügte Sinn hinzu: "Der Nationalsozialismus ist aus der Krise zwischen 1929 und 1931 entstanden. Auch heute stehen Rattenfänger wieder parat."

Sinn sprach sich dagegen aus, angesichts der Wirtschaftsschwäche schon jetzt ein Konjunkturprogramm aufzulegen. "Noch haben die Firmen gut zu tun." Wenn der Staat etwas tun wolle, dann bei den Steuern. "Die Steuerquote ist die höchste seit langem." Der Vorteil sei, dass die Bürger entscheiden könnten, was mit dem Geld geschehe.

Nach Sinns Einschätzung ist ein Ende der Finanzkrise noch nicht in Sicht. Die nächsten Probleme bei Kreditkartenfirmen und Autobanken seien absehbar. Allerdings sei das Szenario aus dem Herbstgutachten, dass die Wirtschaft 2009 um 0,8 Prozent schrumpfen werde, mit dem Rettungspaket "weniger wahrscheinlich geworden".

© sueddeutsche.de/Reuters/ddp-bay/AP/mel/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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