Hypo-Vereinsbank:"Wir haben Mitarbeitern sehr viel abverlangt"

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Der Chef der Hypo-Vereinsbank, Wolfgang Sprißler, geht. Im SZ-Interview spricht er über Fehler beim Umbau des Instituts, seinen Nachfolger Theodor Weimer und den Pessimismus vieler Konjunkturforscher.

Thomas Fromm

Seit 1. Januar 2006 fungiert Wolfgang Sprißler als Sprecher des Vorstandes der Hypo-Vereinsbank (HVB). In wenigen Tagen zieht sich der 63-Jährige, der in Tübingen geboren wurde, aus dem Vorstand zurück. Unter seiner Führung wurde die Bank mehrmals umstrukturiert. Auch in den nächsten Monaten geht der Umbau weiter: So sollen insgesamt 2000 Arbeitsplätze abgebaut und ganze Abteilungen nach Osteuropa verlagert werden.

Wolfgang Sprißler: "Ich habe nie Fahnenflucht begangen" (Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Sprißler, die Finanzmärkte liegen am Boden und Sie gehen zum 1. Januar als HVB-Chef in den Ruhestand. Einen besseren Zeitpunkt hätten Sie sich nicht wünschen können - sind Sie froh, es hinter sich zu haben?

Sprißler: Ich habe in meinem Berufsleben nie Fahnenflucht begangen, auch diesmal nicht. Ich hätte mir natürlich gewünscht, zu einem besseren Zeitpunkt den Stab zu übergeben. Aber man kann es sich nicht aussuchen. Um es klar zu sagen: Ich bin nicht froh, ausgerechnet jetzt zu gehen.

SZ: Sie bleiben ja dem Unternehmen als stellvertretender Aufsichtsratschef erhalten. Dort können Sie Ihrem Nachfolger Theodor Weimer von Januar an dann auf die Finger schauen. Welche Ratschläge geben Sie ihm mit auf den Weg?

Sprißler: Herr Weimer benötigt keine Ratschläge von mir. Und ungefragt werde ich mich nicht einmischen. Das schließt natürlich nicht aus, dass ich ihm auf seinen Wunsch als Diskussionspartner zur Verfügung stehe. Herr Weimer ist ein sehr erfahrener, vielseitiger Banker - ich kenne kaum jemand, der bessere Beziehungen zu Kunden unterhält. Er wird seinen eigenen Weg gehen.

SZ: Überlassen Sie ihrem Nachfolger eine stabile Bank?

Sprißler: Ja, als fokussierte Universalbank sind wir gut aufgestellt, wir verfügen über eine ausgewogene Kunden- und Produktstruktur, und sind in ein starkes europäisches Netzwerk eingebunden. Auch unser Investmentbanking-Geschäft läuft in weiten Teilen gut, auch wenn alle positiven Ergebnisse derzeit von den negativen Auswirkungen des schlechten Umfelds überlagert werden.

SZ: Dafür aber ist die Bank kaum wieder zu erkennen. Das Institut muss über 2000 Arbeitsplätze abbauen; Stellen werden nach Osteuropa verlagert. Und: Die Hypo-Vereinsbank ist in Ihrer Zeit zu einer Landesgesellschaft der italienischen Bank Unicredit umfunktioniert worden.

Sprißler: Ja, wir sind eine Landesgesellschaft einer der stärksten europäischen Bankengruppen. Aber wir sind auch weiterhin eine der größten deutschen Banken. Und Deutschland ist das wichtigste Land in der Europäischen Union. Was also soll daran schlecht sein? Was den Umbau betrifft: Wir haben keine Alternative, wenn wir unsere Wettbewerbsfähigkeit erhalten wollen.

SZ: Viele Ihrer einstigen Top-Manager sind wegen der Fusion mit der Unicredit gegangen.

Sprißler: Einige von ihnen haben sich schwergetan, sich mit einer Rolle als Juniorpartner abzufinden.

SZ: Haben Sie jemals das Gefühl gehabt, Ihre Mitarbeiter zu überfordern?

Sprißler: Die Frage ist berechtigt. Die Veränderung war bei der Hypo-Vereinsbank in den letzten Jahren der Normalzustand, einen Stillstand gab es quasi nie. Wir haben unseren Mitarbeitern sehr viel abverlangt, umso mehr erfüllt es mich mit Stolz und Dankbarkeit, wenn ich sehe, was wir erreicht haben.

SZ: Vielleicht hätten Sie den Mitarbeitern weniger Fusionen zumuten dürfen.

Sprißler: Wir haben bei der HVB im letzten Jahrzehnt wiederholt Wirtschaftsgeschichte geschrieben, aber die vergangenen Zusammenschlüsse sind die Basis unseres zukunftsfähigen Geschäftsmodells. Schnelligkeit ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg eines Zusammenschlusses. Wichtig ist, dass das Vertrauen zwischen den Fusionspartnern stimmt, und dass man eine Vision teilt - man sollte die weichen Faktoren nicht unterschätzen.

SZ: Zu den Details der Fusion gehörte es, das Investmentbanking-Geschäft der Unicredit zu übernehmen und das komplette Geschäft in München zu bündeln. Dafür gaben sie das lukrativere Geschäft in Osteuropa an die Italiener ab. Bereuen Sie das nicht?

Sprißler: Nein, keineswegs. Der überwiegende Teil des Investmentbankings ist übrigens nicht zur HVB verlagert worden, sondern hat bereits vor der Fusion mit der Unicredit zur Hypo-Vereinsbank gehört. Natürlich müssen wir unser Investmentbanking an die neuen Bedingungen anpassen, damit werden auch Einschnitte verbunden sein. Aber es hat eine Zukunft.

SZ: Vielen Ländern in Osteuropa, in denen Sie früher über Ihre Ex-Tochter Bank Austria vertreten waren, droht heute der Kollaps. Vielleicht haben Sie doch die richtige Entscheidung getroffen.

Sprißler: Wir rechnen in Osteuropa immer noch mit einem überdurchschnittlichen Wirtschaftswachstum von zwei bis drei Prozent. Das nächste Jahr wird an die Banken jedoch noch einmal hohe Anforderungen stellen. Das gilt auch für unsere Gruppe, selbst wenn die Unicredit bisher vergleichbar glimpflich davongekommen ist.

Auf der nächsten Seite: Warum sich Sprißler über die Konjunkturforscher ärgert

SZ: Das heißt also: In all den Jahren sind bei der Hypo-Vereinsbank keine Fehler gemacht worden?

Sprißler: Das habe ich nie gesagt. So gab es Zeiten, in denen wir zu stark auf Marktanteile, Größe und Wachstum geschaut haben und das Verhältnis von Risiken und Ertrag vielleicht zu wenig im Blick hatten. Aber ich behaupte, dass wir viele Dinge richtig gemacht haben.

SZ: Wie muss eine Bank in Zukunft aufgestellt sein?

Sprißler: Meines Erachtens stehen wir vor einer Renaissance der klassischen Hausbankbeziehungen. Wir müssen alle noch näher am Kunden sein, ohne sein Vertrauen und seine Zufriedenheit ist alles nichts.

SZ: Viele Unternehmen beklagen sich, dass sie von den Banken keine Kredite mehr bekommen. Die halten sich wiederum wegen der Finanzkrise zurück.

Sprißler: Eine allgemeine Kreditklemme sehe ich derzeit bei den deutschen Kreditinstituten noch nicht. Erkennbar ist jedoch, dass sich die Konditionen entsprechend der Risiken verschlechtern. Bei den Unternehmenskrediten zeichnen sich erste Schwierigkeiten im längerfristigen Bereich ab, weil sich die Banken in diesem Zeitraum nach wie vor selbst kaum refinanzieren können. Natürlich ist es jedoch auch an der Finanzindustrie, jetzt vor ihrer eigenen Haustüre zu kehren und ihre Aufgabe in der Gesellschaft wahrzunehmen.

SZ: Geben Sie uns zum Abschluss noch einen Ausblick auf das Jahr 2009.

Sprißler: Fakt ist, dass ein Ende der Finanzkrise mit ihren Folgen für die Realwirtschaft vorerst noch nicht in Sicht ist, uns erwartet ein weiteres schwieriges Jahr. Aber 2009 wird auch Chancen mit sich bringen. Deswegen stört es mich, wenn die Forschungsinstitute in ihren Studien versuchen, sich gegenseitig mit pessimistischen Szenarien zu überbieten. Manche vergleichen die Situation mit 1929, andere reden von der schlimmsten Krise seit Menschengedenken.

SZ: Und wie schlimm ist es wirklich?

Sprißler: Sicher ist die Situation ernst, aber statt ständigem Jammern ist jetzt Grundoptimismus gefragt und gefordert. Wir gehen davon aus, dass das Wachstum im zweiten Halbjahr 2009 wieder leicht im positiven Bereich liegen wird und sich auch im Jahr 2010 fortsetzen wird.

© SZ vom 22.12.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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