Holding mit Scania:MAN-Zentrale soll ins Ausland

Lesezeit: 2 min

Im Aktionärskreis von MAN und Scania laufen Sondierungen für den Standort eines fusionierten Lkw-Konzerns. Dessen Zentrale soll weder in München noch in Södertälje sein. Laut SZ-Informationen wird sie woanders entstehen.

Michael Kuntz

Nach dem Scheitern des Übernahmeangebotes des Münchner Nutzfahrzeug-Konzerns MAN für seinen schwedischen Konkurrenten Scania reden die Großaktionäre der beiden Unternehmen derzeit direkt miteinander darüber, wie sich ein Zusammengehen von MAN, Scania und dem Lkw-Bereich von VW doch noch verwirklichen lässt.

Ein Lkw wird im Münchner Werk gefertigt (Foto: Foto: dpa)

Entscheidenden Einfluss bei Scania hat die Finanzholding Investor, hinter der die schwedische Industriellenfamilie Wallenberg steht. Der Volkswagen-Konzern ist Großaktionär sowohl bei Scania als auch bei MAN. Er hat seinen früheren Vorstandsvorsitzenden Bernd Pischetsrieder zum Generalbevollmächtigten für die Lkw-Allianz gemacht. Im Hintergrund zieht VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch die Fäden, der über sein Familienunternehmen Porsche als größter VW-Aktionär letztlich das Sagen hat.

Bei den Verhandlungen zwischen dem Volkswagen-Konzern und den Vertretern der Familie Wallenberg wird nach Angaben aus dem Umfeld der Teilnehmer nach einer Lösung gesucht, welche die Interessen beider Seiten angemessen berücksichtigt. Nach dem monatelangen, teilweise heftig geführten Dauerstreit zwischen MAN-Chef Håkan Samuelsson und seinem Gegenspieler bei Scania, Leif Östling, gelten bei den Investoren beide Topmanager als nicht mehr geeignet für die Führung des neuen Unternehmens.

Außerdem, so heißt es weiter, wäre es für das Zusammenwachsen der beiden Lkw-Firmen nicht gerade vorteilhaft, wenn eine der beiden bestehenden Hauptverwaltungen in München und Södertälje die Zentrale des fusionierten Konzerns werden würde. Im Gespräch ist stattdessen eine Holdinggesellschaft, die weder in Deutschland noch in Schweden angesiedelt ist. Eine solche Ansiedlung auf neutralem Boden könnte auch als Antwort auf die nationalistischen Töne in der Diskussion um die Übernahmeofferte gemeint sein.

Vorbild EADS

Als Standort kämen das Großherzogtum Liechtenstein oder die Niederlande in Frage. Beide Länder bieten gesellschaftsrechtliche Möglichkeiten, die gerade der schwedischen Unternehmerfamilie Wallenberg mit ihrem verschachtelten Besitz entgegenkämen. So sind sowohl in Liechtenstein wie auch in den Niederlanden Stiftungsmodelle möglich, die steuerlich anlegerfreundlich behandelt werden.

Ein weiterer Grund für die Ansiedlung der Konzernholding einer neuen Lkw-Gruppe im Ausland mag sein, so spekulieren Beobachter, dass dann die deutsche Mitbestimmung nicht gelten würde und im Aufsichtsrat nicht die Hälfte der Sitze für Vertreter der Arbeitnehmer zu reservieren wäre. Ein Vorbild könnte die Konstruktion beim Luft- und Raumfahrtkonzern EADS sein, der seinen Firmensitz zwar in den Niederlanden hat, die wesentlichen Geschäfte aber in den nationalen Zentralen Paris und Ottobrunn führt.

In der Zentrale von MAN in München steuern Vorstandsvorsitzender Håkan Samuelsson und Finanzvorstand Karlheinz Hornung mit 200 Mitarbeitern die Strategie, das Controlling und die Entwicklung der Führungskräfte des Konzerns mit insgesamt 50 200 Beschäftigten. Die Hauptverwaltung von Scania liegt in Södertälje, einer Stadt mit 60 000 Einwohnern südwestlich von Stockholm. Wäre das Übernahmeangebot von MAN für Scania angenommen worden, hätte MAN die Marken getrennt führen wollen. Dabei sollte die Scania-Zentrale in Schweden bleiben, der Sitz des neuen Konzerns, der als ,,Europäische Aktiengesellschaft'' hätte firmieren sollen, wäre München geworden.

Der schwedische MAN-Chef und frühere Scania-Manager Samuelsson hatte Mitte September eine zuletzt mehr als zehn Milliarden Euro schwere Übernahmeofferte für Scania vorgelegt, die von allen Aktionären als feindlich eingestuft und abgelehnt worden ist.

Zu den Spekulationen wollte ein Sprecher des MAN-Konzerns am Wochenende keine Stellung nehmen. Nach Rücknahme der Offerte für Scania befinde man sich in der Abkühlungsphase. Ein VW-Sprecher macht gegenüber der Süddeutschen Zeitung auf das frühe Stadium der Diskussion aufmerksam und formuliert anschaulich: ,,Der Braten ist noch längst nicht auf dem Teller. Das Schwein läuft ja noch über die Wiese.''

© SZ vom 19. Februar 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: