HNA:Ein Fall für die Aufseher

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Erst wurde das Geld knapp, jetzt sind auch noch die Aktien vom Handel ausgesetzt. Beim chinesischen Deutsche-Bank-Aktionär geht es drunter und drüber.

Von Christoph Giesen und Meike Schreiber, Peking/Frankfurt

Jetzt redet selbst er, Chen Feng, der Aufsichtsratschef und Gründer von HNA: "Zinserhöhungen der Fed und eine rigidere Kreditpolitik in China haben zum Jahresende bei vielen chinesischen Unternehmen zu Liquiditätsengpässen geführt", ließ Chen die Nachrichtenagentur Reuters wissen. HNA mag vielleicht ein kleines Problem haben, aber alles unter Kontrolle - das ist die Botschaft, die Chen aussenden will, ja wohl aussenden muss. Denn: Fast im Tagesrhythmus jagt eine Hiobsbotschaft die nächste.

Allein seit Beginn des Jahres musste der chinesische Konzern, der auch der größte Anteilseigener der Deutschen Bank ist, gut ein halbes Dutzend Schicksalsschläge vermelden. Da sind die konzerneigenen Fluglinien, die Gebühren für geleaste Maschinen nicht fristgerecht begleichen können. Oder die Tochtergesellschaft in Hongkong, die für die zweite Brückenfinanzierung eines Bauvorhabens "um mehr Zeit" bittet. Vergangene Woche wurden die Aktien von Hainan Airlines, der Urzelle von HNA, an der Börse in China vom Handel ausgeschlossen. Der Grund: "Restrukturierung der wichtigsten Anlagen". Kurz darauf setzte die Aufsicht die Papiere von Tianjin Tianhai aus - auch das eine HNA-Firma.

Es geht drunter und drüber im Reich von Chen Feng. Bald auch in Deutschland? Gut möglich. Was dem Konzern zu schaffen macht, sind die Untersuchungen von Behörden. Die Frage allenthalben: Wer steht hinter diesem kaufwütigen Konzern aus China, der in den vergangenen Jahren 50 Milliarden Dollar für Übernahmen ausgegeben hat und nun in Schwierigkeiten geraten zu sein scheint? Kurz vor Weihnachten wiesen neuseeländische Aufseher ein Übernahmeangebot von HNA zurück. Der Grund: Unklare Besitzverhältnisse. In der Schweiz musste der Konzern im Herbst eine Gebühr bezahlen, weil HNA bei einer anderen Übernahme falsche Angaben zu den Eigentümern gemacht hatte. Seit Monaten streut ein chinesischer Milliardär im Exil, dass in Wahrheit die Familie des ehemaligen Korruptionsbekämpfers Wang Qishan hinter HNA stecken könnte. Ein Finanzvehikel des roten Adels? Bis zum Parteitag im vergangenen Herbst war Wang einer der mächtigsten Männer Chinas, ein enger Vertrauter von Staats- und Parteichef Xi Jinping. Bislang lassen sich für die Anschuldigungen keine Belege finden. Bislang hat aber auch kaum jemand hart nachgefragt. Das scheint sich zu ändern: Dem Vernehmen nach will die Europäische Zentralbank (EZB) nach monatelangem Überlegen noch im ersten Quartal entscheiden, ob sie HNA einem sogenannten Inhaberkontrollverfahren unterzieht. So ein Verfahren ist zwar hochpolitisch, gilt aber als zunehmend wahrscheinlich: Die Kontrolleure müssten dann untersuchen, wer genau die HNA-Anteilseigner sind. Es geht schließlich um den größten Einzelaktionär eines der wichtigsten Geldhäuser Europas.

Es geht um die Deutsche Bank. Eigentlich sieht das deutsche Kreditwesengesetz eine solche Prüfung erst vor, wenn ein Aktionär mehr als zehn Prozent an einer Bank hält und damit tatsächlich beeinflussen kann, welche Geschäfte das Geldhaus macht. HNA hält seit dem Frühjahr 9,9 Prozent der Deutsche-Bank-Aktien. Die EZB könnte aber zum ersten Mal eine Ausnahmeregelung nutzen, die ein Verfahren auch bei einem Anteil von unter zehn Prozent zulässt. Dazu müssen die Finanzaufseher nachweisen, dass die Aktionäre die Bank erheblich beeinflussen. Diesen Nachweis aber wollen die Aufseher nun nach Informationen aus Finanzkreisen nicht nur am Beispiel von HNA durchexerzieren, sondern ganz grundsätzlich klären. Ein Schlüssel dafür könnte die Hauptversammlung sein. Ist das Jahrestreffen einer Aktiengesellschaft - wie bei der Deutschen Bank häufig der Fall - schlecht besucht, haben dort auch Aktionäre mit knapp zehn Prozent rechnerisch schnell eine Sperrminorität von 25 Prozent beisammen. Sind, wie so oft, nur ein Drittel der Aktionäre anwesend, werden aus 9,9 Prozent defacto 30 Prozent.

Die EZB und HNA wollten sich dazu nicht äußern.

Sollte die EZB ein derartiges Verfahren eröffnen, wird sie auch auf Erkenntnisse der deutschen Finanzaufsicht Bafin zurückgreifen können. Weil HNA vor einiger Zeit in Europa einen Zahlungsverkehrsdienstleister übernommen hat, der auch in Deutschland Geschäft macht, untersucht die Aufsicht die Gruppe nun sowieso.

Es sieht so aus, als müssten sich die Chinesen nun endlich erklären. Den Anteil an der Deutschen Bank zu verkaufen, das aber kommt offenbar nicht in Frage. Die Beteiligung habe für HNA "einen hohen Prestige-Faktor", hatte der Vertreter von HNA im Aufsichtsrat, Alexander Schütz, noch Ende Dezember in einem Interview gesagt. Vielleicht äußert sich bald auch Chen Feng dazu.

© SZ vom 19.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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