Hitzewelle:Dürre bedroht Bauern in ganz Europa

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Die anhaltende Dürre bedroht europaweit immer mehr Landwirte in ihrer Existenz. Vor allem beim Getreide, aber auch bei Futter und Obst drohen starke Rückschläge.

Michael Bauchmüller

(SZ vom 22.07.03) - In Deutschland sind besonders der Osten und der Süden betroffen. Allein in Brandenburg habe die Trockenheit bislang Schäden von rund 225 Millionen Euro angerichtet, sagte der Präsident des dortigen Landesbauernpräsident, Udo Folgart, am Montag in Potsdam.

Die Ähren lassen die Köpfe hängen: Landwirt Herwig Marloff sucht in seinem Weizenfeld nach Körnern minderer Qualität. (Foto: dpa)

In Sachsen-Anhalt seien in einzelnen Betrieben bis zu 70 Prozent der Ernte verloren gegangen, bestätigte eine Sprecherin des Landwirtschaftsministeriums in Magdeburg. Der Deutsche Bauernverband meldet vereinzelt 80 Prozent Verlust.

Nach vorläufigen Schätzungen könne sich der Gesamtschaden auf eine Milliarde Euro summieren, heißt es beim Verband. Zahlreiche Betriebe seien in ihrer Existenz gefährdet.

Seit 1947 keine solche Trockenheit

"Im Herbst zu nass, im Winter zu kalt, im Frühjahr und im Frühsommer zu trocken" - so umschreibt Bauernpräsident Gerd Sonnleitner die Gründe für die Ernteausfälle. Seit 1947 habe die deutsche Landwirtschaft keine solche Trockenheit mehr erlebt.

Ein schon vor drei Wochen geplantes Gespräch zwischen Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) und Sonnleitner bekommt vor diesem Hintergrund neues Gewicht. Hatten die beiden an diesem Montagabend ursprünglich vorrangig die Folgen der EU-Agrarreform erörtern wollen, so ging es nun auch um die Konsequenzen der Dürre.

Die EU-Agrarminister könnten schon an diesem Dienstag reagieren. Beim Ministerrat in Brüssel wird die Trockenheit zentrales Thema sein. Italien und Frankreich sind zum Teil noch weitaus stärker betroffen als Deutschland.

Im Gespräch sind derzeit vor allem vorgezogene Ausgleichszahlungen. Brüssel will den Bauern diese Mittel, wie in jedem Jahr, Mitte November auszahlen. Würden sie - oder auch nur ein Teil davon - früher ausgezahlt, könnte das viele Landwirte über Engpässe hinwegretten. Nun soll diese Frage noch vor der Sommerpause geklärt werden.

Angst vor später Reaktion

Die Bauern quält die Sorge, dass Brüssel wieder zu spät reagieren könnte. Anfang Juli hatte die EU den Landwirten erlaubt, still gelegte Flächen für die Viehfütterung zu nutzen. In vielen der betroffenen Gebiete kam diese Hilfe zu spät: Viele der Flächen waren bereits verdörrt.

Nun ergeben sich auch hier Knappheiten: "Viele Bauern müssen Futter zukaufen", sagt Karl-Dieter Wasemund, Agrarexperte der Zentralen Markt- und Preisberichterstattungsstelle in Bonn.

Dies setze die Einkommen vieler Landwirte weiter unter Druck. Auch zeichne sich ein Mangel bei den Wintervorräten ab, klagt der Bauernverband. Schon jetzt steigen die Preise einiger Agrargüter: Obst aus Italien und Frankreich ist um bis zu 25 Prozent teurer als im Vorjahr, auch bei Mehl und Milch rechnen Experten mit steigenden Preisen.

Ungleiche Verteilung

Leid und Nutzen verteilen sich indes sehr ungleich auf den deutschen Bauernstand. Während die einen unter der Dürre leiden, können andere von steigenden Preisen insbesondere für Getreide und Futtermittel profitieren.

Westlich der Linie Hamburg - München waren die Niederschläge etwas größer, hier erreichen die Ernteerträge ungefähr das Niveau des Vorjahres.

Gleichzeitig steigen die Preise für Getreide und Futter - weltweit. Nicht nur in Deutschland und Südeuropa fallen die Ernten in diesem Jahr schwächer aus. Länder wie Russland, die Ukraine und Kasachstan, die im vorigen Jahr mit ihren Weizenexporten die Weltmarktpreise gedrückt hatten, werden in diesem Jahr zu Nettoimporteuren der wichtigsten Getreideart.

Auch China, das im vorigen Jahr noch rund eine Million Tonnen exportiert hatte, wird voraussichtlich in diesem Jahr mehr ein- als ausführen, heißt es im internen Vermerk eines Landesministeriums.

Die Bundesregierung will noch die Ernteschätzung abwarten, ehe sie konkrete Schritte zur Hilfe ergreift. Sie wird Ende Juli veröffentlicht.

Ein Bund-Länder-Notprogramm, wie es Landwirte fordern, könne es nur geben, wenn "eine Art nationale Katastrophe" eintrete, sagte eine Künast-Sprecherin.

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