Hinter den DGB-Kulissen:Engelen-Kefer sammelt Anhänger für Kampfkandidatur

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Frank Bsirske und Jürgen Peters droht ein herber Ansehensverlust: Bislang schien das Kalkül der beiden mächtigen Gewerkschaftschefs aufzugehen, die streitbare DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer aus dem Amt zu drängen. Doch das Vorhaben könnte scheitern.

Marc Beise

Die mächtigen Vorsitzenden der beiden wichtigsten Einzelgewerkschaften in Deutschland sind sich einig: Für Verdi-Chef Frank Bsirske und IG-Metall-Chef Jürgen Peters ist die Zeit von Ursula Engelen-Kefer abgelaufen.

Streitbar aber pragmatisch: Ursula Engelen-Kefer. (Foto: Foto: AP)

Die in der Öffentlichkeit bekannte stellvertretende Vorsitzende des Dachverbandes Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) soll Ende Mai beim DGB-Bundeskongress abgelöst werden. Als Nachfolgerin auf ihrem angestammten Themengebiet der Sozialpolitik hat der DGB-Vorstand bereits die weit links stehende frühere Grünen-Politikerin Annelie Buntenbach nominiert. Die Vize-Position soll die CDU-Bildungsexpertin Ingrid Sehrbrock erhalten.

Offizielle Begründung für den geplanten Rausschmiss Engelen-Kefers ist deren Alter: Die jahrzehntelange Spitzen-Gewerkschafterin ist 62 Jahre alt und müsste im Laufe einer erneuten Amtszeit vorzeitig in den Ruhestand gehen; dies ist beim DGB unüblich.

Gilt bereits als abgeschrieben

In Wirklichkeit allerdings wollen Bsirske und Peters ebenso wie andere Gewerkschaftschefs, darunter IG-Bau-Vorsitzender Klaus Wiesehügel, die streitbare, aber auch pragmatische Gewerkschaftsfrau durch eine ausgewiesene Linke ersetzen. Bisher schien dieses Kalkül aufzugehen, Engelen-Kefer gilt in der Öffentlichkeit bereits als abgeschrieben. Sie selbst hat sich zu der Frage einer erneuten Kandidatur, die dann eine Kampfkandidatur gegen den erklärten Willen ihrer Vorstandskollegen wäre, noch nicht geäußert.

Dies wird sich in den nächsten Wochen ändern. Denn hinter den Kulissen sammelt Engelen-Kefer erfolgreich ihre Anhänger. Vorläufiger Höhepunkt ist ein bisher unveröffentlichter Entwurf für einen Beschluss des Verdi-Bundesfrauenrats für den DGB-Bundeskongress.

Unterstützung durch Verdi-Frauen

In dem der Süddeutschen Zeitung vorliegenden Entwurf, der am Freitag einstimmig beschlossen worden ist, betonen die Verdi-Frauen "die hohe Qualität und Wertschätzung" von Engelen-Kefers Arbeit und sichern ihr "für den Fall ihrer erneuten Kandidatur als stellvertretende Vorsitzende die Unterstützung der Verdi-Frauen zu".

Dies wird in der Gewerkschaft als Kampfansage an Verdi-Chef Bsirske gewertet und dürfte Engelen-Kefer weiteren Auftrieb geben. Damit hat sich erstmals ein wichtiges Gremium für Engelen-Kefer stark gemacht, weitere Solidaritätserklärungen aus anderen Einzelgewerkschaften werden erwartet.

Die Aktion des Bundesfrauenrates folgt dem Aufstand der Delegierten auf dem Landesgewerkschaftskongress von NRW, der mit großer Mehrheit die Empfehlung der Vorsitzenden verwarf und die aus dem Wahlvorschlag durch Druck von oben zunächst gestrichene Christdemokratin Elke Hannack zur DGB-Vize von NRW wählte. Diese Entscheidung hatte gezeigt, dass die Vorabsprachen der Gewerkschaftsfürsten von der Basis zunehmend in Frage gestellt werden.

Machtprobe wird wahrscheinlicher

Vor diesem Hintergrund wächst die Wahrscheinlichkeit, dass Engelen-Kefer die Machtprobe mit ihren Gegnern an der Spitze der Einzelgewerkschaften sucht. Dabei werden ihr, die seit Jahren in allen Gremien vernetzt ist, durchaus Erfolgsaussichten eingeräumt.

Engelen-Kefer, die sich mit strikten Positionen und offenen Worten in der Politik und in den Gewerkschaften viele Feinde gemacht hat, gilt als traditionelle Sozialdemokratin.

Den in ihrer Einschätzung "neoliberalen" Kurs des früheren SPD-Kanzlers Gerhard Schröder hatte sie immer wieder scharf kritisiert, weshalb das Verhältnis der beiden SPD-Mitglieder in Schröders Amtszeit sehr angespannt war. Umso auffälliger ist es, wie gut Engelen-Kefer mit der CDU-Vorsitzenden und Bundeskanzlerin Angela Merkel harmoniert. In zahlreichen, häufig informellen Treffen haben die beiden sich näher kennen und offenbar auch schätzen gelernt.

Die promovierte Volkswirtin Engelen-Kefer beschäftigt sich seit 1970 für den DGB mit Fragen der Beschäftigungs- und Sozialpolitik, niemand im Gewerkschaftslager kennt sich auf diesem Gebiet so gut aus wie sie.

Bereits seit 1984 ist sie in der Führung der heutigen Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg tätig. Den Skandal über geschönte Vermittlungsdaten der BA überlebte sie, anders als BA-Präsident Bernhard Jagoda und Staatssekretär Werner Tegtmeier.

Schwierige Tarifverhandlungen

Sollte sich Engelen-Kefer wie zu erwarten erneut um ihr Amt bewerben und von der Basis mehrheitlich unterstützt werden, wäre dies ein Ansehensverlust insbesondere für die beiden Vorsitzenden von Verdi und IG Metall, Bsirske und Peters, die derzeit jeweils in schwierigen Tarifverhandlungen stecken.

© SZ vom 27.02.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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