Hilferuf an Schröder:Gazprom setzt Eon unter Druck

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Der russische Gasmonopolist Gazprom will mehr Einfluss in Westeuropa haben. Ein deutsches Unternehmen soll dabei ein wichtige Rolle spielen.

H.-W. Bein, W. Kramer und M. Bauchmüller

Der deutsche Energiekonzern Eon soll dem russischen Gaserzeuger Gazprom lukrative Beteiligungen an wichtigen westlichen Vertriebstöchtern abtreten.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung sind die Russen mit einem früheren Angebot von Eon, das Gazprom Anteile an osteuropäischen Vertriebsgesellschaften einräumt, nicht mehr zufrieden.

Eon bekam im vergangenen Jahr von Gazprom die Zusage für eine 24,5-prozentige Beteiligung an dem sibirischen Gasfeld Juschno-Russkoje. Das Feld im autonomen Bezirk Jamalo-Nenezk verfügt über Vorräte von mindestens 700 Milliarden Kubikmeter. Damit könnte der gesamte Gasbedarf in Deutschland für zehn Jahre gedeckt werden.

Ärger bei Ungarns Regierung

Als Preis dafür war damals eine Beteiligung von Gazprom an wichtigen Vertriebstöchtern von Eon vorgesehen. Genaueres wurde nicht vereinbart. Gazprom hätte dem Vernehmen nach auch gern eine Beteiligung an der Eon-Tochter Ruhrgas, dem wichtigsten europäischen Gasanbieter. Das aber will Eon-Vorstandschef Wulf Bernotat verhindern. Eon Ruhrgas ist wiederum mit 6,5 Prozent an Gazprom beteiligt.

Die Beteiligung an dem Gasfeld ist nach Angaben von Experten etwa eine Milliarde Euro wert. Eon bot den Russen dafür den Vertriebsbereich der führenden ungarischen Gasgesellschaft MOL sowie einen unterirdischen Erdgasspeicher in Ungarn an.

Doch als das Angebot durchsickerte, sorgte es für Unruhe und Verärgerung bei der ungarischen Regierung sowie bei MOL. Sie befürchten, wie zu Sowjetzeiten, wieder unter die Fuchtel des russischen Gasmonopolisten zu geraten. Gazprom ist schon seit einigen Jahren bemüht, die Gasversorgung Ungarns in die Hand zu bekommen. Bei der Privatisierung hatte jedoch der Eon-Konzern den Zuschlag bekommen.

Sergej Balashov, bei Gazprom für internationale Beziehungen zuständig, spricht von "Verzögerungen" und räumt ein, dass die Verhandlungen mit Eon ins Stocken geraten sind: "Es gibt ein Angebot von Eon Ruhrgas, das wir zurzeit sehr genau überprüfen."

Entscheidungen sollen noch in diesem Jahr fallen. Balashov lässt aber zugleich durchblicken, dass die früheren Angebote von Eon dem russischen Konzern nicht reichen.

Eon ist nach Informationen der SZ bereit, das Angebot zu erweitern. Auch Töchter in Bulgarien, Tschechien, Polen und Slowenien könnten in den Handel einbezogen werden. Um aber auch in diesen Ländern Vorbehalten gegen den russischen Ex-Monopolisten zu begegnen, erklärt der deutsche Konzern, er wolle in jedem Fall nur Minderheitsbeteiligungen abgeben.

Gazprom drängt dagegen stärker auf westeuropäische Märkte wie Italien, Österreich oder Großbritannien. Am Rande des jüngsten G8-Treffens hatte Gazprom bereits ein Kooperationsabkommen mit dem staatlichen italienischen Öl- und Gaskonzern Eni geschlossen.

Für Eon ist die erstmalige Beteiligung an einem großen russischen Gasfeld weit mehr als eine Prestigeangelegenheit. Der Konzern ist mit der Tochter Ruhrgas der größte deutsche Gasimporteur und steht für 60 Prozent der Gaseinfuhren. Eon-Ruhrgas strebt eine Eigenversorgungsquote von 15 bis 20 Prozent an, ist davon aber meilenweit entfernt. Derzeit kommen nur fünf Prozent des verkauften Gases aus eigenen Quellen.

Das westsibirische Gazprom-Vorkommen ist zudem die Rohstoffbasis für die geplante neue Ostsee-Erdgaspipeline zwischen Wyborg bei St. Petersburg und Deutschland. An dem Projekt sind von deutscher Seite Eon und BASF mit jeweils 24,5 Prozent beteiligt. Während der Verhandlungen über das mehr als zwei Milliarden Euro teure Vorhaben hatte Gazprom die Gespräche über das Gasfeld ausgesetzt.

Eon widerstand bisher dem Drängen nach der Beteiligung an westlichen Vertriebstöchtern. Eine Beteiligung von Gazprom an Ruhrgas wurde ganz zum Tabu erklärt. Ein Einstieg von Gazprom würde die Russen in eine Schlüsselposition im Konzern bringen und zudem den Gaseinkauf in anderen Regionen erschweren, heißt es in Düsseldorf.

Der Streit zwischen Gazprom und Eon wird möglicherweise zur ersten Belastungsprobe für Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, der in dieser Woche zum Aufsichtsratschef der Gas-Pipeline-Gesellschaft gewählt wird, die eine Leitung von Russland nach Deutschland baut.

Auch vom Geschäftsführer der neuen Gesellschaft, der ebenfalls ein Deutscher ist, erhofft Eon-Chef Bernotat Unterstützung in diesem Streit. Beide habe Bernotat um Hilfe gebeten, berichtet die russische Tageszeitung Komersant.

© SZ vom 27.3.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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