Hightech-Standorte:Der Lockruf einer brillanten Idee

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Die Ansiedlung von Hightech-Unternehmen strahlt auf die gesamte Region aus. Jena liegt dabei in Deutschland an der Spitze. Seit Kurzem darf sich die Stadt als deutsches Silicon Valley fühlen.

Von Stefan Weber

Carl Zeiss, Ernst Abbe und Otto Schott - diese drei Männer preist die Stadt Jena häufig als ihr "Dreigestirn". Sie revolutionierten vor mehr als 100 Jahren den wissenschaftlich fundierten Bau von Mikroskopen. Damit legten sie auch den Grundstein für drei Jenaer Unternehmen, die heute als renommierte und innovative Konzerne international erfolgreich sind: Zeiss, Jenoptik und Schott. Vor allem aber festigte das Trio eine wichtige Tradition der zweitgrößten Stadt Thüringens: die enge Verzahnung von Universität, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und lokaler Industrie.

In einem solchen Umfeld sprudeln Ideen und Innovationen. Jedes Jahr werden in Jena etwa 250 Patente (pro 100 000 Einwohner) angemeldet; der bundesdeutsche Durchschnitt beträgt gerade einmal 59. Mit etwa 1000 Forschern im Bereich Optik und Photonik sowie mehr als 9000 Beschäftigten in der Hightech-Industrie ist Jena ein führendes Zentrum im Bereich lichtbasierter Technologien. Seit Kurzem darf sich die Stadt zudem als deutsches Silicon Valley fühlen. Eine gemeinsame Untersuchung der Creditreform Wirtschaftsforschung und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) ergab, dass über einen längeren Zeitraum in keiner anderen deutschen Region mehr Hightech-Unternehmen (in Relation zu sämtlichen Newcomern) gegründet wurden als in Jena. 16,3 Prozent der dort zwischen 2012 und 2016 neu an den Start gegangenen Firmen waren Hightech-Gründungen. Auf den weiteren Plätzen folgen mit gehörigem Abstand Karlsruhe (13,4 Prozent), Darmstadt (13,3 Prozent) und Dresden (12,1 Prozent). Im bundesweiten Durchschnitt betrug die Quote im betrachteten Zeitraum lediglich 7,3 Prozent.

Was sagt ein hoher Hightech-Anteil an Unternehmensgründungen aus? Üblicherweise werden diese Betriebe nicht aus der Arbeitslosigkeit heraus oder wegen drohender Erwerbslosigkeit gegründet. Vielmehr hat der Gründer (oftmals sind es mehrere) in der Regel eine besondere Geschäftsidee und besitzt obendrein eine hohe Motivation, sich damit am Markt zu beweisen. Ganz allgemein sind viele Gründungen in forschungs- und wissenschaftsintensiven Branchen wichtig, damit eine export- und technologieorientierte Volkswirtschaft wie Deutschland international nicht den Anschluss verliert. Auch besitzen solche Newcomer ein größeres Potenzial, Arbeitsplätze zu schaffen als junge Unternehmen, die sich auf konsumorientierte Dienstleistungen spezialisiert haben.

Hochschulen bieten einen Anreiz für Neugründungen in der Nähe

Regionale Agglomerationen von Unternehmen derselben Branche, von Dienstleistern, Forschungsinstitutionen und Experten animieren überdies zu Nachahmungen. Das zeigt die Analyse von Creditreform Wirtschaftsforschung und ZEW über das Gründungsgeschehen in den rund 400 Landkreisen und kreisfreien Städten in Deutschland sehr deutlich. Wo bereits mehrere Firmen eines Wirtschaftszweigs zu Hause sind, kommt häufiger eine neue Adresse hinzu als im unternehmerischen Niemandsland. Entsprechend halten Regionen mit aktuell sehr hohen (beziehungsweise sehr niedrigen) Hightech-Anteilen diesen Status auch in einer längerfristigen Betrachtung.

Jena und Darmstadt sind dafür gute Belege. Dort werden seit mehr als zehn Jahren überdurchschnittlich viele Hightech-Unternehmen gegründet. Anders verhält es sich beispielsweise in den Landkreisen Aurich (Ostfriesland) und Wittmund (Niedersachsen). Sie verharren seit Langem in der Gruppe der Regionen mit besonders wenigen Newcomern aus diesem Wirtschaftsbereich. "Die Analyse lässt vermuten, dass es insgesamt eine verstärkte Gründungsaktivität im Hightech-Sektor insbesondere in Agglomerations- und Ballungsräumen und größeren Städten gibt, die weitere positive Rahmenbedingungen bieten, wie beispielsweise entsprechend ausgerichtete Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit einem entsprechenden Fachkräfteangebot", schreiben die Autoren der Studie.

Gleichwohl kann es auch kurzfristig stärkere Schwankungen geben. Das zeigt das Beispiel Kaufbeuren. Die Stadt in Bayern steigerte ihre Hightech-Gründungsquote in den vergangenen Jahren erheblich; von 5,3 Prozent im Zeitraum 2007 bis 2011 auf über elf Prozent im Zeitraum 2012 bis 2016. Dank dieser Entwicklung landet Kaufbeuren damit unter den Top-10-Regionen in Deutschland.

Ostdeutschland wies lange Zeit eine deutlich niedrigere Quote an Hightech-Gründungen auf als die alte Bundesrepublik. Der Abstand betrug zeitweise mehr als einen Prozentpunkt. Zwischen 2012 und 2015 verlor Westdeutschland jedoch seinen Vorsprung. In dieser Zeit waren Hightech-Gründungen im Osten stärker ausgeprägt. Der Höhepunkt war im Jahr 2013 erreicht, als der Hightech-Anteil 8,1 Prozent betrug. So viel wie im Westen 2001 - also zu einer Zeit, als die Blase am Neuen Markt einen bedrohlichen Umfang erreicht hatte. Eine Betrachtung nach Bundesländern zeigt ein Süd-Nord-Gefälle bei den Hightech-Gründungen. Bayern (8,4 Prozent) und Baden-Württemberg (8,3 Prozent) liegen bei den Flächenländern vorn. Folglich liegt der Hightech-Anteil an den Gründungen in den südlichen Bundesländern mit 7,7 Prozent nahezu einen Prozentpunkt über dem der nördlichen Bundesländer (6,8 Prozent).

Der Blick auf den Anteil, den Hightech-Unternehmen am gesamten (zunehmend schwachen) Gründungsgeschehen haben, verdeckt, dass die absolute Zahl der Newcomer in diesem Bereich seit Jahren rückläufig ist. Im Jahr 2016 wurden in den entsprechenden Wirtschaftsbereichen nur noch 11 311 Unternehmen gegründet. Zum Vergleich: Zehn Jahre zuvor waren es noch 15 315 gewesen; 1996 sogar 19 316. Den Höhepunkt markierte das Jahr 2000 mit 21 720 Neugründungen.

© SZ vom 07.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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